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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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Rechts und links von ihr stand mit einem Mal je ein Gnom mit einem schwarzen Filzhut auf dem Kopf. Zwei Paar kleine, böse Augen funkelten sie an.
    »Sie ist es«, sagte einer der Gnome. »Ich erkenne sie.«
    »Natürlich ist sie es«, gurrte der große Mann. »Es steht ihr ins Gesicht geschrieben.«
    Er legte seine große Hand auf Kates Arm. »Würdest du uns die Freude machen, ein Stückchen mitzukommen? Wir möchten dich gerne jemandem vorstellen. Dieser Jemand brennt geradezu darauf, dich kennenzulernen. Ach, aber wo habe ich nur meine Manieren?« Er zog die Pelzmütze und entblößte seinen Glatzkopf. »Mein Name ist Rourke.«

Zweimal stellte Gabriel Michael auf die Füße und zweimal gaben die Knie unter dem Körper des Jungen nach und er sank zu Boden.
    »Wenn du noch einmal hinfällst«, warnte Gabriel und zog ihn ein drittes Mal hoch, »dann werde ich dich liegen lassen.«
    »Dieses … Ding – es hat Emma mitgenommen!«
    »Ich weiß.«
    » Aber es hat sie mitgenommen! «
    »Ja, und ich kann nicht beides tun: dieses Vieh verfolgen und dich tragen. Also entweder bleibst du auf deinen Füßen stehen oder ich lasse dich zurück.«
    Sie befanden sich noch auf der Lichtung, und Michael starrte in die Richtung, in der die Kreatur mit Emma in den Klauen verschwunden war. Die Ader, die unter der Narbe auf Gabriels Wange sichtbar war, pochte. Michael wusste, wie schwer es dem großen Mann fiel, Emma nicht umgehend hinter herzustürzen. Ich muss mich zusammenreißen, dachte Michael.
    Gabriel ließ seine Schultern los. Michael schwankte, aber er blieb stehen.
    »Dieses Ding«, stammelte Michael, »hast du es gesehen …?«
    »Ja.«
    »Und es war wirklich ein … Ich meine, es war tatsächlich …«
    »Ja.«
    Offensichtlich wollte keiner von beiden den Namen des Wesens aussprechen. Aber Michael reichte es schon, dass Gabriel dasselbe gesehen hatte wie er: die mächtigen, ledrigen, fledermausartigen Flügel, den langen, schlangengleichen Körper, die Zacken auf dem Rücken der Kreatur, die riesigen Krallen, die Emma gepackt und hochgehoben hatten …
    Er hatte es sich nicht eingebildet. Seine Schwester war von einem Drachen geraubt worden.
    »Aber …« Einen Moment lang fühlte er sich so schwach und verloren, dass er befürchtete, gleich wieder in sich zusammenzusinken und von Gabriel zurückgelassen zu werden. »Was sollen wir jetzt machen?«
    »Wir werden deine Schwester finden und das Ungeheuer töten, das sie geraubt hat.«
    »Aber was … Was ist, wenn sie schon …?«
    Gabriel machte einen Satz auf Michael zu und packte ihn am T-Shirt. Sein Gesicht war verzerrt und seine Stimme nur noch ein Grollen.
    »Sie lebt. Sie lebt und wir werden sie finden. Jetzt komm!«
    Und damit lief er in großen Sprüngen über die Lichtung davon. Michael folgte ihm mit unsicheren Schritten.
    Michael verlor jegliches Zeitgefühl. Eine halbe Stunde. Eine Stunde. Vor ihm verschwand Gabriel immer wieder in der Dunkelheit und überließ Michael sich selbst, der sich durch die dicht wachsenden Farne kämpfen musste. Und immer wieder, gerade wenn Michael davon überzeugt war, dass Gabriel ihn im Stich gelassen hatte, tauchte der Mann hinter einem Baumstamm auf und zischte: »Hier entlang! Beeil dich!« Und Michael schob sich weiter zwischen den Farnwedeln hindurch, die ihm gegen die Arme und ins Gesicht schlugen. Er konnte nur einen einzigen Gedanken fassen, der sich ständig in seinem Kopf wiederholte:
    Ich habe Kate verloren und jetzt habe ich Emma verloren …
    Ich habe Kate verloren und jetzt habe ich Emma verloren …
    Ich habe Emma verloren …
    Ich habe Emma verloren …
    Dann, ganz plötzlich, hatten sie die Bäume und Farne hinter sich gelassen. Michael trat auf eine steinige Ebene hinaus, wo Gabriel auf ihn wartete. Der Enge des Waldes entkommen, empfand Michael die unendliche Weite des Nachthimmels als Befreiung. Er atmete tief durch.
    »Da! Siehst du?«
    Gabriel deutete das Tal entlang zu dem Vulkan, der sich etwa eine Viertelmeile vor ihnen erhob. Michael hatte nicht darauf geachtet, in welche Richtung sie gegangen waren. Er war sprachlos. Der Fuß des Vulkans nahm beinahe die gesamte Breite der Ebene ein. Die steilen Hänge liefen auf eine Spitze zu, wie bei einer Pyramide, und er musste fast zweitausend Meter hoch sein. Aus dem Kegel drang ein unheimliches rotes Glühen.
    Ungefragt brachen die Erinnerungen des toten Mannes, die er in Malpesa aufgesogen hatte, in Michaels Gedächtnis ein, und wieder war ihm, als erlebe er

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