Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
und man kennt Freund und Feind nicht einmal mehr auseinander – gerade so, als hätte der Allmächtige in seiner Güte beschlossen, die Leugner der Wahrheit im Tod den Gläubigen gleichzumachen.«
Baldric nickte nachdenklich. Er wusste um die katastrophalen Zustände, die die Suche zusätzlich erschwerten, aber er war dennoch nicht gewillt, schon aufzugeben. »Conn ist nicht tot«, beharrte er. »W ir müssen ihn nur finden.«
»Baldric …«
»Er lebt«, wiederholte Baldric mit einer Endgültigkeit, die keinen Widerspruch duldete. Bertrand erwiderte darauf nichts mehr und starrte in die Flammen.
Eine lange Pause entstand, in der keiner der beiden ein Wort sagte. Schließlich löste sich Baldric von der Säule, kam schleppenden Schrittes ans Feuer und setzte sich zu seinem Freund.
»Falls du recht hast, Bertrand«, flüsterte er, während das eine Auge blicklos in die Flammen starrte, »wird jemand dafür bezahlen. Das schwöre ich, so wahr mir Gott …«
Er hatte den grimmigen Eid noch nicht zu Ende gesprochen, als die Tür aufflog. Kein anderer als Berengar stand auf der Schwelle. Seine schwarze Kutte war voller Staub, sein Gesicht blass und ausgemergelt vor Erschöpfung.
Dennoch lächelte er.
»Es gibt Neuigkeiten«, verkündete er. »Ich habe ihn gefunden.«
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2.
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Obwohl es keine Wegweiser gab und ein Gang wie der andere aussah, hatte Conn das untrügliche Gefühl, an dieser Kreuzung schon einmal gewesen zu sein.
Irrte er sich? War er tatsächlich die ganze Zeit über im Kreis gegangen, um sich just an dieser Stelle wiederzufinden? Oder glaubte er nur, sich an diese Stelle zu erinnern, weil eine Kreuzung wie die andere aussah? Was, wenn er ein Zeichen in das Mauerwerk geritzt hätte, um genau diese Frage zu beantworten?
Fieberhaft begann Conn zu suchen. Im dämmrigen Licht, dessen Quelle er nicht auszumachen vermochte, ließ er den Blick über das brüchige Gestein schweifen – und wurde fündig.
Da war das Zeichen, nach dem er gesucht hatte. Zwei Dreiecke, die ineinander verschlungen waren und so einen Stern formten.
Er kannte dieses Symbol, auch wenn er nicht wusste woher. Es strahlte eine Vertrautheit aus, die ihm ein wenig Hoffnung gab, vielleicht doch noch aus diesem endlos scheinenden Labyrinth zu entkommen, in dem er nun schon … wie lange gefangen war?
Er konnte es beim besten Willen nicht sagen.
Conn entschloss sich, diesmal den rechten Weg zu nehmen, u nd folgte dem Gang, der sich in nichts von dem vorigen unterschied. Plötzlich jedoch glaubte er, eine Stimme zu hören, die seinen Namen rief.
»Conwulf?«
Die Stimme hatte etwas Vertrautes, und er beschleunigte seinen Schritt. Eine Öffnung in der Mauer erschien, aus der spärlicher Lichtschein drang.
»Ich warte auf dich, Conwulf.«
Zögernd näherte er sich dem Durchgang, spähte vorsichtig hinein. Eine einsame Gestalt saß an einem Feuer, in einen weiten Mantel gehüllt, dessen Kapuze sie tief ins Gesicht gezogen hatte.
»Komm näher. Setz dich.«
Conn gehorchte und trat ein, setzte sich der Gestalt gegenüber, die er in diesem Moment zu erkennen glaubte.
»Chaya«, flüsterte er. »Du bist hier?«
Die Gestalt, von der im flackernden Feuerschein nur die Kinnpartie zu erkennen war, antwortete nicht.
»W ie geht es dem Kind?«, fragte Conn zögernd. »Unserem Kind?«
Da hob die Gestalt das Haupt und schlug die Kapuze zurück.
Conn erschrak.
»Nia!«
Sie antwortete nicht, sondern musterte ihn nur. Er hatte vergessen, wie schön sie war. Das hübsche Gesicht, das kastanienbraune Haar, der herausfordernde Blick ihrer dunklen Augen, all das weckte Erinnerungen – und sorgte gleichzeitig dafür, dass Conn tiefe Reue verspürte. Hätte er gewusst, dass Nia noch am Leben war und hier auf ihn wartete, hätte er niemals …
»W as hast du getan, Conwulf?«, fragte sie ihn. »Du hast deinen Schwur nicht gehalten und eine neue Liebe gesucht!«
»Ich wollte es nicht«, beeilte sich Conn zu versichern, »aber es ist geschehen. Chaya ist dir ähnlich, in vieler Hinsicht.«
» Und? Glaubst du, das mindert deine Schuld?«
»So viel ist geschehen, seit du … seit wir uns zuletzt sahen«, erwiderte Conn. »Ich habe geschworen, dich zu rächen, Nia, und ich wollte es mit aller Entschlossenheit. Folglich ging ich zum Turm von London, um Guillaume de Rein zu töten. Aber dann kam alles anders. Ich erfuhr von Dingen …«
»W as für Dinge?«, wollte sie wissen.
»Ein Mordkomplott gegen den Herzog der Normandie. Sein eigener
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