Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
wollt Ihr Rat bei Zauberei und dunklen Künsten suchen?«
»W as soll das, Pater? Ihr kennt Chaya. Weder ist sie eine Hexe noch frönt sie dämonischen Künsten.«
»Nein?« Berengars schmale Augen blitzten ihn an. »Hat sie Conwulf etwa nicht nach allen Regeln der Kunst verführt und ihn dazu gebracht, ihr ein Kind in den verdorbenen Leib zu pflanzen?«
»Habt Ihr denn nicht zugehört, Pater?«, fragte nun auch Bertrand. »Habt Ihr nicht mitbekommen, was dem Jungen in London widerfahren ist? Bei all dem Schmerz, den er ertragen musste, ist es nicht verwunderlich, wenn er sich nach der Wärme einer Frau sehnt – auch wenn Euresgleichen nichts davon versteht.«
»Hüte deine Zunge, Sünder, und sorge dich lieber um dein Seelenheil«, beschied Berengar ihm scharf, um sich dann wieder Baldric zuzuwenden. »Habt Geduld, ich beschwöre Euch! Sucht nicht die Hilfe einer gottlosen Dirne!«
»W ie lange soll ich noch warten?«, fragte Baldric. »Bis sich Conn womöglich nicht mehr von seinem Lager erhebt?«
»Der Herr pflegt uns auf manche Weise zu prüfen.«
»Das ist wahr, und der Herr ist mein Zeuge, dass ich schon viele seiner Prüfungen bestanden habe. Aber nicht diese. Drei Tage. So lange gebe ich den Mönchen Zeit. Wenn sich Conns Zustand bis dahin nicht gebessert hat, werde ich das Judenviertel aufsuchen.«
Damit ließ er Berengar stehen und stampfte an den Reihen der Verwundeten vorbei zum Ausgang, dicht gefolgt von Bertrand.
M issmutig blickte der Mönch ihnen nach und ließ sich dabei zu einer bitteren Verwünschung hinreißen, für die er schon im nächsten Moment um Ablass bat. Die Lage hatte sich auf eine Weise zugespitzt, die er nicht hatte voraussehen können.
Natürlich lag ihm Conwulfs Heil am Herzen – noch mehr jedoch fürchtete er die Komplikationen, die sich ergeben konnten, wenn Baldric die Jüdin zu Rate zog und sie womöglich an Conns Lager holte. Dafür, dachte Berengar, während er seine Hand auf jene Stelle seiner Kutte legte, wo sich die Pergamentrolle befand, hatte er nämlich zu viel zu verbergen.
Und noch mehr zu verlieren.
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3.
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Feldlager nördlich von Antiochia
8. Juni 1098
Man war so rasch vorangeschritten wie nur irgend möglich, bei Tag und bei Nacht, in Gewaltmärschen, die Mensch und Tier das Äußerste abverlangt hatten – und dennoch war die Armee, die sich unter dem Befehl Kur-Baghas, des Atabegs von Mossul, zusammengefunden hatte, zwei Tage zu spät eingetroffen, um die Eroberung Antiochias zu verhindern. Als die Vorhut der Streitmacht den Lagerplatz der Kreuzfahrer erreichte, fand sie ihn verlassen vor – der Feind hatte sich hinter die schützenden Mauern zurückgezogen, die er zuvor über Monate hinweg erfolglos bestürmt hatte.
Es war eine niederschmetternde Erkenntnis, die die Stimmung im Heer gewaltig drückte, wie Bahram al-Armeni mit Beklemmung feststellen musste.
Im Zelt Kur-Baghas, das in aller Eile errichtet worden war, während das gewaltige Heer auf den umliegenden Hügeln sein Lager bezog, waren sie zu Beratungen zusammengekommen: die Emire und Statthalter, die sich dem Befehl des Wächters von Mossul unterstellt hatten, um gemeinsam gegen die Eroberer vorzugehen, unter ihnen auch Suqman von Diyarbakir und Duqaq von Damaskus, dessen Truppen bei Al-Bira eine empfindliche Niederlage erlitten hatten. Lediglich Duqaqs Bruder Ridwan war der Versammlung ferngeblieben – ähnlich wie Duqaq hatte auch er versucht, die K reuzfahrer auf eigene Faust zu besiegen, und war dabei gescheitert.
Bei Marj Dabik hatte sich Kur-Baghas Heer versammelt, das tausende gepanzerter ghulam -Krieger sowie unzählige Bogenschützen und Fußsoldaten umfasste. Da Kur-Bagha selbst den größten Teil davon stellte und er auf Weisung des Kalifen von Bagdad handelte, hatte niemand seinen Oberbefehl in Frage gestellt – auch Duqaq nicht, dessen Ehrgeiz seit Al-Bira merklich abgenommen hatte. Hatte Tutushs Sohn zunächst mit der Vorherrschaft über ganz Syrien geliebäugelt, war ihm inzwischen nur noch daran gelegen, die Kreuzfahrer zu vertreiben und sie von Damaskus fernzuhalten. Ob ihm klar war, dass es seine eigene Eitelkeit war, die ihm bei Al-Bira die Niederlage eingetragen hatte, wusste Bahram nicht, und er hütete sich davor, es ihm zu sagen.
Zusammen mit den anderen hohen Fürsten stand der Herrscher von Damaskus um den großen Tisch, der die Mitte von Kur-Baghas prächtigem Zelt einnahm und auf dem Karten ausgebreitet lagen, die die Mauern und Verteidigungsanlagen
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