Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Bruder will ihn aus dem Weg räumen, und kein anderer als der Mann, der dich getötet hat, soll dabei sein Werkzeug sein.«
»Bist du sicher?«
»Ich habe es mit eigenen Ohren gehört, Gott sei mein Zeuge. Aber dann wurde ich entdeckt und musste fliehen. Ich entkam mit knapper Not und einem Pfeil im Arm, und wäre Herr Baldric nicht gewesen …«
»W er ist Baldric?«
Conn nickte – Nia konnte nicht wissen, wer Baldric war. »Baldric ist ein Normanne, aber nicht wie jene, die wir zu kennen glaubten. Er weiß, was es bedeutet, ausgestoßen zu sein, und er hat mich gerettet. Er ist wie ein Vater für mich.«
»Und – Chaya?«
Es schmerzte Conn, Nia den Namen aussprechen zu hören. »W as soll mit ihr sein?«, fragte er hilflos.
»Liebst du sie?«
Conn schaute Nia erschrocken an. Was sollte er ihr antworten? Die Wahrheit? Er horchte in sich hinein, um zu erforschen, worin diese Wahrheit bestand, als er merkte, wie Nia sich veränderte.
Ihre Züge wurden plötzlich fahl, dunkle Flecke zeichneten sich auf ihrer Haut ab, die Folge von Blessuren. Ihr Blick nahm einen verzagten Ausdruck an, und aus ihrem Mundwinkel kroch ein dünner Blutfaden. Conn erschrak – so hatte er sie bei ihrem letzten Zusammentreffen gesehen, als sie in seinen Armen gestorben war.
E s würde sich wiederholen!
»Nein!«, rief er entsetzt und sprang auf, streckte die Arme nach ihr aus, aber das Feuer zwischen ihnen loderte hell empor und hinderte ihn daran, sie zu erreichen. »Nia!«, brüllte er aus Leibeskräften. »Chaya…!«
»Haltet ihn fest!«
Baldric hatte sich über Conns Lager gebeugt und umfasste seine Handgelenke, während Berengar und Bertrand je ein Bein fixierten. Im Fieberwahn hatte er wie von Sinnen um sich geschlagen und war Gefahr gelaufen, sich zu verletzen.
Und er hatte laut gesprochen.
Anfangs waren es nur zusammenhanglose Worte gewesen, die keinen Sinn ergaben, aber dann waren ganze Sätze daraus geworden, so als würde Conn in seinen Träumen mit jemandem Zwiesprache halten – und seine Freunde hatten von Dingen erfahren, die ihnen noch immer eisige Schauer über den Rücken jagten.
»Ruhig, Junge«, sprach Baldric auf ihn ein, während er sich aus seinem Griff zu befreien suchte, »es ist alles gut. Ruhig.«
Tatsächlich entspannte sich Conn ein wenig. Sein Atem, zuletzt stoßweise und hastig, wurde langsamer, sein Gesicht, an dessen Schläfen die Adern dunkel hervorgetreten waren, entkrampfte sich.
»Ruhig«, sagte Baldric noch einmal, und als könnte Conn ihn durch die Schleier des Fiebertraumes hören, ließ sein Widerstand endlich nach, und seine Freunde konnten wagen, ihn wieder loszulassen.
»W as, verdammt noch einmal, war das?«, fragte Bertrand.
»Der Wahn des Wundfiebers«, erklärte Berengar. »Die Mönche, die ihn gefunden haben, sagen, dass er diese Anfälle öfter hat, mehrmals täglich.«
»Und spricht er immer im Schlaf?«, wollte Baldric wissen.
»Davon haben sie nichts gesagt. Viele, die das Wundfieber plagt, fantasieren und reden wirres Zeug.«
B aldric nickte und ließ seinen Blick durch das geräumige Gewölbe schweifen, das bis vor wenigen Tagen noch ein öffentliches Bad gewesen war – nun diente es den Cluniazensern als Hospital. Dicht an dicht lagen verwundete Streiter Christi auf dem Boden, viele davon mehr tot als lebendig. Schreie erfüllten die schwüle Luft, und wohin man auch blickte, war Blut; dennoch war es einer mehr als glücklichen Fügung zu verdanken, dass Conn hier war.
Die Mönche hatten berichtet, dass sie ihn am Morgen nach der Schlacht im Judenviertel gefunden hatten, seiner Waffen und seiner Rüstung beraubt. Da sich ein Armbrustgeschoss in seiner Schulter befand, hatten sie ihn für tot gehalten und auf einen Karren geladen, um ihn zusammen mit unzähligen anderen Leichen aus der Stadt zu schaffen. In diesem Moment jedoch war ein Stöhnen aus seinem Mund gedrungen, woraufhin man ihn ins Hospital gebracht hatte, freilich ohne noch viel auf sein Leben zu geben.
Doch der junge Angelsachse hatte sich einmal mehr als überaus zäh erwiesen und das Herausziehen des Bolzens und das Nähen der Wunde überlebt – allerdings mit großem Blutverlust. Darüber hinaus hatte sich die noch frische Wunde entzündet. Er bot einen erschreckenden Anblick: Seine Haut war aschfahl und sein Körper ausgezehrt.
Was in der Nacht der Eroberung geschehen war, konnte Baldric nur vermuten. Auch Remys Schicksal war noch immer unklar, obschon sich einige Mönche an den Leichnam
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