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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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versklaven die Besiegten nicht, und sie nehmen auch keine Gefangenen, um sie gegen Lösegeld wieder freizulassen. Sie scheinen nur darauf aus zu töten – aber aus welchem Grund? Was hat sie zu solchen Bestien werden lassen?«
    Kur-Bagha nickte. »Das, mein Freund, sind die Fragen, die w ir stellen müssen. Erst wenn wir den Feind verstehen, werden wir auch in der Lage sein, seine Schwächen zu erkennen und ihn zu besiegen.«
    »Dann stellt Eure Fragen«, forderte Duqaq von Damaskus den Atabeg und die anderen Emire und Fürsten auf. »Denn Bahram al-Armeni, der Anführer meines askar , ist ein Christ. Obschon er dem Irrglauben erlegen ist, diente er meinem Vater Tutush viele Jahre und in zahlreichen Schlachten. In meiner Voraussicht ahnte ich, dass er unserer Sache nützlich sein könnte, deshalb befahl ich ihm, mich zu dieser Unterredung zu begleiten.«
    Erstaunt wandten die anderen Anführer sich um, und ehe Bahram recht begriff, wie ihm geschah, fühlte er rund hundert Augenpaare auf sich lasten. Dass Christen in den seldschukischen Armeen dienten, war nichts Besonderes – dass es einer von ihnen jedoch zum Offizier und gar zum Kommandanten der Reiterei gebracht hatte, war für viele Anwesende, vor allem für Kur-Baghas arabische Unterführer, eine Überraschung.
    »W ohlan also, Bahram al-Armeni«, forderte der Atabeg von Mossul Bahram auf, »berichte uns, was du weißt. Sage uns, was in den Köpfen der Christen vor sich geht.«
    Bahram schürzte die Lippen, um etwas Zeit zu gewinnen. Auf eine Frage wie diese war er nicht gefasst gewesen, zumal sie ihm etwas klarmachte, was er insgeheim wohl längst geahnt hatte – nämlich dass der Angriff der Kreuzfahrer ihn in sehr persönlicher Weise betraf.
    Vorher hatten seine muslimischen Herren ihn als das genommen, was er nun einmal war – als einen Ungläubigen, gewiss, dem sie aber dennoch Respekt und Achtung entgegenbrachten. Er hatte es ihnen gedankt, indem er ihnen mit großem Einsatz und seiner ganzen Loyalität diente. Das Eintreffen der Kreuzfahrer jedoch hatte sie ihm gegenüber misstrauisch werden lassen. Sicher sahen sie ihn noch immer als ihren Verbündeten, aber aufgrund seines Glaubens gingen sie auch davon aus, dass er dem Feind näher stand als sie selbst. B islang hatten nur seine Leistungen gezählt, seine strategischen Kenntnisse und seine Tapferkeit vor dem Feind – nun plötzlich spielte auch seine Religion eine Rolle.
    »Ehrwürdiger Kur-Bagha«, antwortete Bahram deshalb vorsichtig. »Ich habe es schon meinem Fürsten gesagt und sage es nun auch Euch – ich weiß nicht, was in den Köpfen der Kreuzfahrer vor sich geht oder was sie bewegt. Auch wenn ich getauft bin und an die Auferstehung Jesu Christi glaube, so bin ich dennoch ein Sohn des Morgenlands und vermag Euch weder zu sagen, was jene Menschen planen noch weshalb sie mit derartiger Bitterkeit kämpfen.«
    »Könnt Ihr es nicht?«, fragte der Emir von Menbidj, ein kleiner Mann mit finsterem Blick. »Oder wollt Ihr es nicht? Steht Ihr Euren Glaubensbrüdern näher als uns?«
    »Die Loyalität des Armeniers steht außer Frage«, ergriff Duqaq für Bahram Partei – wohl auch deshalb, weil jede Kritik an seinem Schützling auch seine eigene Urteilsfähigkeit in Zweifel zog. »Er hat sie oft genug unter Beweis gestellt.«
    »Auch in Kämpfen gegen Christen? Oder ging es dabei gegen Söhne Mohammeds?«, fragte Kur-Bagha.
    Bahram fühlte sich zunehmend unwohler. »In der Hauptsache ging es dabei gegen Söhne Mohammeds. Jedoch standen bisweilen auch Christen unter ihrem Banner, und zuletzt habe ich bei Al-Bira auch gegen die Kreuzfahrer gekämpft. Dass ich Eure Fragen nicht beantworten kann, liegt nicht an mangelnder Treue, Herr, sondern einzig daran, dass ich nichts über jene Christen weiß. Sie kommen aus Ländern, in denen ich nie gewesen bin und die mir nicht weniger fremd sind als Euch. Auch lehrt uns unser Glaube, nicht zu töten und den Nächsten zu lieben, sodass ich Euch nicht erklären kann, was sie zu ihren Taten bewegt – außer vielleicht jenen Dingen, die alle Sterblichen in ihrem tiefsten Inneren bewegen.«
    »Und diese wären?«, wollte Janah al-Dawlas wissen.
    »Furcht«, gab Bahram ohne Zögern zur Antwort. »Zorn und Gier.«
    D en Gesichtern der Emire und Unterführer war anzusehen, dass ihnen diese Antwort nicht gefiel – sei es, weil sie sich selbst darin sahen oder weil es den Feind, der sich hinter den Mauern Antiochias verschanzte und in dem sie einen finsteren

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