Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
fahlen Schäfte gewahrte Conn eine große Gestalt, die auf einem hölzernen Schemel hockte.
»B-Baldric?«
Der Normanne, der offenbar eingeschlafen war, schreckte auf. Wie von einer giftigen Schlange gebissen, schoss er in die Höhe und war sofort an Conns Lager.
»Du bist erwacht«, sprach er das Offensichtliche aus.
Conn nickte nur. Sein Nacken schmerzte noch immer dabei, und sein Schädel brummte, aber er hatte nicht mehr das Gefühl, vor Pein zu vergehen, und seine Sinne und sein Verstand waren klarer als bei seinem letzten Erwachen.
»W o bin ich?«
»Noch auf Erden, du elender angelsächsischer Dickschädel!« Baldrics verbliebenes Auge weitete sich. »Dein Starrsinn hat dich beinahe das Leben gekostet. Hast du Spaß daran, einen armen alten Sünder wie mich zu quälen?«
»V erzeih«, flüsterte Conn, der zu sehen glaubte, wie es im Auge seines Adoptivvaters feucht blitzte.
»Du bist im Viertel der Juden, Junge«, fuhr Baldric fort. »Auf Chayas Wunsch haben wir dich hierhergebracht, sobald wir nicht mehr fürchten mussten, dass sich deine Wunde unterwegs wieder öffnet. Zum einen war sie der Meinung, dass sie dich hier besser behandeln könnte. Zum anderen«, fügte er leiser hinzu, »wollten die Mönche ihr nicht erlauben, ihre Heilkunst anzuwenden.«
Chaya .
Conn erinnerte sich, dass sie an seinem Lager gewesen war. Sie hatten miteinander gesprochen, und sie hatte ihm von ihrem Kind erzählt, von seinem Sohn …
»W o ist sie?«
»Ein paar Besorgungen machen. Bertrand ist bei ihr, also mach dir keine Sorgen.«
Conn nickte, einstweilen beruhigt.
» Geht es dir besser?«
»Ich denke schon.«
»Das hast du ihr zu verdanken. Chaya hat alles getan, um dich zu retten. Du verdankst ihr dein Leben.«
»W ie lange war ich …?«
»Zwei Wochen«, lautete die erschütternde Antwort. »Zwei Wochen, in denen wir nicht wussten, ob du dich jemals wieder von diesem Lager erheben würdest. Wäre Chaya nicht gewesen, hätten der Blutverlust und das Wundfieber dich dahingerafft wie so viele andere.« Baldric schloss für einen Moment die Augen, und Conn erinnerte sich dunkel, was ihm bei seinem letzten Erwachen berichtet worden war – von Heerscharen muselmanischer Krieger, die vor den Toren Antiochias lagerten und bereit waren zum Sturm.
»W as ist geschehen?«, wollte er wissen.
Sein Adoptivvater betrachtete ihn prüfend, so als müsste er abwägen, ob Conn für die Neuigkeiten schon bereit war. »W ir haben gekämpft, und Gott war auf unserer Seite.«
»W ir … wir haben gesiegt?«
Baldric schüttelte den Kopf. »Nicht wir, Junge. Der Allmächtige selbst war es, der den Feind vor unseren Toren vertrieben hat. Zuerst, indem er uns die Heilige Lanze sandte.«
»Die Heilige Lanze?«
»Die heilige Reliquie vom Berge Golgatha. Den Spieß, den der römische Hauptmann in die Seite des Erlösers stieß. Man fand ihn in der Kathedrale, als die Verzweiflung am größten war. Doch das ist noch nicht alles. Denn der Herr half uns auch, indem er die Sterne vom Himmel fallen und auf das Lager des Feindes stürzen ließ. Von diesem Zeitpunkt an wussten wir, dass der Herr auf unserer Seite war, all unseren Verfehlungen zum Trotz. Und als auch noch die himmlischen Heerscharen in den Kampf eingriffen, war die Schlacht entschieden.«
»Himmlische Heerscharen?« Conn richtete sich halb auf seinem Lager auf, und anders als zuvor gelang es ihm, sich e rhoben zu halten, indem er sich auf seine Ellbogen stützte. »W as ist passiert?«
Baldric wippte nachdenklich auf seinem Schemel vor und zurück. Offenbar hatte er die jüngsten Ereignisse selbst noch nicht verarbeitet. Ehrfurcht stand in seinem narbigen Gesicht zu lesen, in seinem Auge lag ein Lodern, das Conn lange nicht mehr darin gesehen hatte.
»Am frühen Morgen des gestrigen Tages«, begann der Normanne seinen Bericht mit vor Erregung bebender Stimme, »durchschritt ein Großteil unserer Streiter das Brückentor, um sich dem Feind ein letztes Mal zu stellen. Uns allen war klar, dass diese Schlacht über unser aller Wohl oder Untergang entscheiden würde, also boten wir alles auf, was wir hatten. Die letzten Rationen an Proviant wurden ausgegeben, und die wenigen Pferde, die wir noch hatten, bekamen das letzte Getreide zu fressen. Dann zogen wir in die Schlacht. Godefroy de Bouillon und unser Herzog Robert ritten an der Spitze, Normannen und Lothringer folgten ihnen wie ein Mann. Unsere italischen Waffenbrüder wurden von Herrn Bohemund angeführt, die
Weitere Kostenlose Bücher