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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kunde, die aus Worms nach Köln gedrungen war, war in der Tat erschütternd, denn genau das war eingetroffen, was sowohl Bar Levi als auch sein Freund Isaac Ben Salomon befürchtet hatten: Graf Emicho und seine Horde hatten es nicht länger bei Drohungen gegen das Volk Israel belassen.
    Minutenlang währte das Schweigen, das auf den Bericht des Vorstehers folgte. Einer der Ersten, die die Fassung zurückgewannen, war Isaac Ben Salomon – vielleicht deshalb, weil ihn die Nachricht nicht annähernd so unerwartet traf wie jene, die sich in trügerischer Sicherheit gewiegt hatten. »W ie viele?«, fragte er mit bebender Stimme. »W ie viele von unserem Volk haben die Mordbrenner getötet?«
    Bar Levi sandte ihm einen düsteren Blick. »Die Zeugen sprechen von mehreren hundert Toten. Männer wie Frauen, Alte wie Kinder.«
    » W as?«, ließ sich Mordechai Ben Neri vernehmen. »Aber das … das ist unmöglich! Ihr müsst Euch irren!«
    »Kann blutgetränkter Boden ein falsches Zeugnis geben?«, fragte der Vorsteher der Kölner Gemeinde. »Oder das Wehklagen der Hinterbliebenen? Ich fürchte, mein Freund, dass Ihr Eure Meinung die Christen betreffend ändern müsst. Viele von ihnen mögen nach wie vor Handel mit uns treiben – unsere Freunde jedoch sind sie nicht und waren es wohl auch nie. Freunde jedenfalls pflegen ihresgleichen nicht nächtens zu überfallen und sie mit vorgehaltener Waffe zur Taufe zu zwingen.«
    »Das haben sie getan?« Erstmals schienen dem jungen Kaufmann aus der Enggasse die Worte zu fehlen. Seine sonst so hitzigen Züge erblassten, blankes Grauen schlug aus seinen Augen wie Flammen aus den Fenstern eines brennenden Hauses.
    »Das und noch mehr«, bestätigte der Parnes mit tonloser Stimme. »W ie es heißt, wurde die Residenz des Bischofs angegriffen, wohin sich viele der Unseren geflüchtet hatten. Sie wurden entweder getötet oder gezwungen, den christlichen Glauben anzunehmen. Noch sind die Opfer nicht gezählt, aber es werden viele sein. Fünfhundert, vielleicht mehr.«
    »Aber das wäre ja die gesamte Gemeinde!«, rief Usija, einer der beiden Gehilfen des Rabbiners, voller Entsetzen aus. »W arum, bei Gottes Allmacht, tun die Christen so etwas?«
    »W eil sie Krieg gegen die Heiden führen – und damit auch gegen uns.« Bar Levis Stimme wurde vorwurfsvoll. »Ihre Prediger schreien es seit Monaten durch die Gassen, aber Ihr habt Augen und Ohren verschlossen und Euch geweigert, die Wahrheit zu erkennen!«
    Einige der Versammelten starrten schuldbewusst zu Boden, andere wechselten verstörte Blicke. Nur einer hielt dem Augenspiel des Vorstehers stand – Mordechai Ben Neri, der seine erste Überraschung verwunden hatte und wieder ganz der Alte schien. »Obschon ich keineswegs an Eurer Lauterkeit z weifle, ehrwürdiger Parnes, fällt es mir noch immer schwer zu glauben, dass sich solches wirklich zugetragen haben soll. Wenn Ihr jedoch recht habt, so dürfen wir nicht untätig bleiben und abwarten, bis es womöglich zu spät ist und auch uns das Verderben ereilt.«
    »Ihr gesteht also endlich zu, dass diese Möglichkeit besteht?«
    »Ich gestehe zu, dass uns Nachrichten erreicht haben, die Anlass zur Besorgnis geben«, wich der Kaufmann aus. »W ir sollten also handeln, wenngleich besonnen und mit dem nötigen Maß.«
    »Und das bedeutet?«, fragte jemand.
    »Dass wir uns dem Erzbischof anvertrauen und ihm von unseren Sorgen berichten sollten«, entgegnete Mordechai.
    »Und Ihr glaubt, das würde genügen?«, ergriff erneut Isaac das Wort. »Erzbischof Hermann mag uns zugeneigt sein, wenn es darum geht, seine Keller mit erlesenem Wein aus Aquitanien zu füllen. Aber können wir uns auch auf ihn verlassen, wenn es darum geht, sich auf unsere Seite und gegen seine eigenen Leute zu stellen?«
    »Ihr habt recht«, pflichtete Bar Levi ihm ohne Zögern bei. »V iel sicherer wäre es, die Stadt zu räumen und bis zum Monat Tammus in der Ferne abzuwarten. Wenigstens aber, bis Emichos Horden wieder abgezogen sind.«
    »Niemals!«, widersprach Mordechai entschieden, und auch unter den anderen Vornehmen regte sich Widerstand, der sich in Kopfschütteln und verhärteten Mienen niederschlug. »Bedenkt, was wir zurücklassen würden! Sollen wir unsere Wohnungen, unsere Lager, unsere Werkstätten und nicht zuletzt das Haus Gottes ungeschützt der Zerstörungswut dieser Barbaren überlassen?«
    »Diese Barbaren, Mordechai«, konterte Isaac, »habt Ihr noch vor wenigen Tagen Eure Freunde genannt. Pflegt Ihr im

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