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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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etwas dagegen unternommen? Weshalb hatte keiner die Wachen gerufen?
    Natürlich kannte Conn die Antwort, sie war so einfach wie ernüchternd. Aus der Sicht eines Freien war das Leben einer Sklavin in etwa so viel wert wie das eines streunenden Hundes – und niemandem wäre es eingefallen dazwischenzugehen, wenn ein normannischer Edler einen hergelaufenen Köter verprügelte.
    »Conn?«
    Er schaute auf sie herab. »Ja?«
    »W eißt du noch?«, fragte sie mit brüchiger Stimme, während ihre Augen die seinen suchten, sie jedoch nicht fanden. »Ich habe dir von Cymru erzählt, meiner Heimat … von den grünen Hügeln des Tieflands und den dichten Wäldern … von uralten moosbewachsenen Felsen und von Flüssen so klar wie ein Frühlingsmorgen. Weißt du noch?«
    »Ja«, brachte Conn mühsam hervor. Es war wenig mehr als ein Krächzen.
    »Dorthin«, flüsterte Nia, während sie zusammenzuckte, weil eine erneute Welle von Schmerz ihren Körper durchlief, »hätten wir gehen können … dort wären wir frei gewesen.«
    Conn war nicht mehr in der Lage, einen Laut hervorzubringen. Er nickte nur, während er mit aller Macht gegen die Tränen ankämpfte, die ihm in die Augen zu schießen drohten. Er wollte nicht, dass sie ihn so sah, wollte ihr auf dem Weg in die Ewigkeit nicht seinen Kummer aufbürden.
    »Nun brauchst du nicht mehr für mich zu stehlen«, hauchte sie, und das trotz allem strahlende Lächeln, das dabei über ihre aschfahlen Züge glitt, ließ ihn vor Schmerz fast vergehen. »W illst du mir … etwas versprechen?«
    » W as?«
    »V ersprich mir … dass Freiheit suchen.« Ihre Stimme war nur noch ein Wispern, dem Rascheln von Weidegras gleich, durch das der Abendwind fuhr. »W irst sie finden … irgendwo …«
    »Ich verspreche es«, erwiderte Conn, der Mühe hatte, die Fassung zu bewahren. In diesem Augenblick wäre er bereit gewesen, ihr alles zu versprechen und jeden beliebigen Eid zu schwören, wenn er ihre Qual dadurch nur ein wenig erträglicher machte – aber auch dieses Ansinnen blieb ihm verwehrt.
    Nias Gesichtszüge verkrampften sich und verloren jede Farbe. Man konnte zusehen, wie das Leben aus ihnen wich. Hilflos versuchte Conn, das Unvermeidliche aufzuhalten.
    »Nein! Nein!«, schluchzte er und presste sie an sich, so als könnte er sie auf diese Weise festhalten und verhindern, dass sie von ihm ging. Doch noch während er sie hielt und seine Wange an ihr schweißnasses Haar presste, hörte sie auf zu atmen. Ihr gepeinigter Körper entkrampfte sich. Conn wusste, dass es vorbei war.
    Nias Leben war erloschen wie eine Kerze im Wind.
    Wie lange Conn auf dem strohbelegten Boden kauerte, den Leichnam seiner Geliebten in den Armen, wusste er später nicht mehr zu sagen. Aber er entsann sich genau des Augenblicks, in dem Trauer, Zorn und Schmerz zu viel für ihn wurden und er das Gefühl hatte, in einen bodenlosen Abgrund zu fallen, der ihn mit Haut und Haaren verschlang. Nias leblosen Körper noch immer an sich pressend, stürzte er in dunkle, ungeahnte Tiefen.
    Kalt war es dort, und er fror erbärmlich. Obwohl er als Waise aufgewachsen und von frühester Kindheit an auf sich gestellt gewesen war, hatte er sich nie zuvor in seinem Leben so einsam gefühlt. Er stieß einen furchtbaren Schrei aus, von dem er nicht zu sagen wusste, ob er nur in seinen Gedanken existierte oder ob er seiner Kehle tatsächlich entfuhr. All seine T rauer und sein Schmerz brachen sich darin Bahn, und plötzlich schien die Dunkelheit rings um ihn in grellen Flammen zu explodieren.
    Sengende Hitze schlug ihm ins Gesicht, die seine Haut brennen ließ und wie ein glühendes Eisen in seine Eingeweide fuhr. Übelkeit befiel ihn, die so überwältigend war, dass er sich nicht länger aufrecht halten konnte. Benommen sank er nieder und krümmte sich am Boden, während er das Gefühl hatte, von Schmerz zerrissen zu werden. Und aus den Flammen, die ihn umloderten, tauchte das Bild eines gesichtslosen Ritters auf – des Mannes, der wie ein Tier über Nia hergefallen war und ihren zarten Körper entweiht und verunstaltet hatte.
    Guillaume de Rein.
    Als Emma ihn erwähnte, hatte Conn den Namen nur flüchtig wahrgenommen. Nun jedoch stand er ihm klar vor Augen, und während die Flammen rings um ihn weiter loderten, wurde aus Conns vernichtendem Schmerz namenloser Hass. Er verspürte nur den einen Wunsch: es dem Mann heimzuzahlen, der ihm alles genommen hatte.
    Guillaume de Rein.
    Vor seinem geistigen Auge sah Conn den fremden Ritter, der

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