Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Christenmenschen haben seinen Ruf gehört und sind bereit, ihm zu folgen. Auch unser geliebter Herrscher würde gehen, wenn seine Pflichten ihn nicht an den Thron binden würden.«
»Das ist nur zu wahr«, bestätigte der Monarch, der neben F lambard stand und im Vergleich zu diesem geradezu harmlos und unscheinbar wirkte. Obwohl er fast doppelt so alt war wie Guillaume, hatte der König von England etwas Knabenhaftes an sich. »Nach den Unruhen der vergangenen Jahre hat sich die Lage im Land nun endlich gefestigt. Kehrte ich England nun jedoch den Rücken zu, würde alles von vorn beginnen.«
»Das ist anzunehmen, Sire«, gab der Baron zu.
»Robert hingegen«, fuhr Ranulf Flambard fort, »ist bereit, das Wagnis einzugehen. Er ist gegenwärtig dabei, in Caen und Rouen Truppen zusammenzuziehen und eine Armee auszurüsten, die ihn auf seiner Pilgerfahrt begleiten soll.«
»Mein Bruder ist schon immer ein sentimentaler Hund gewesen«, bemerkte der König wenig schmeichelhaft. »V ielleicht aber«, setzte er bissig hinzu, wobei seine verschiedenfarbigen Augen angriffslustig blitzten, »will er auch nur sein Seelenheil zurückerlangen, das er noch zu Lebzeiten unseres Vaters so leichtfertig verspielt hat.«
»Um das Unternehmen zu finanzieren, hat Robert seine Besitztümer in der Normandie für eine Summe von zehntausend Silbermark an uns verpfändet«, erläuterte Flambard.
»W ozu zweifellos Ihr ihm geraten habt«, folgerte Renald. Es war bekannt, dass Ranulf als anerkannter Spezialist in Fragen der Staatsfinanzen galt. Nicht von ungefähr hatte er an der Erstellung jener Steuerlisten gearbeitet, die als Domesday Book , als »Buch vom Jüngsten Tage« in die Annalen des Reiches eingegangen waren.
»Ich habe meinen bescheidenen Beitrag zur Ausarbeitung des Vertrags geleistet, das ist wahr«, gab der königliche Berater sich bescheiden, »von weit größerer Wichtigkeit aber ist Folgendes: Sollte Robert von seiner Fahrt ins Heilige Land nicht zurückkehren, so würden seine Besitztümer mit allem, was sich darauf befindet, an seinen Bruder zurückfallen. Und das würde nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als dass das Reich des Eroberers erstmals nach seinem Tod wieder unter einer Krone vereint wäre.«
» Und?«, wollte Renald wissen, obwohl sein düsterer Ausdruck vermuten ließ, dass er die Antwort bereits ahnte.
»Es wäre also von bedeutendem Vorteil für die Krone, wenn Robert angesichts der unzähligen Unwägbarkeiten, die im Zuge einer solch gefahrvollen Unternehmung lauern, in der Ferne etwas zustoßen würde«, ließ Ranulf die Katze aus dem Sack, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken – und Guillaume verstand jäh, weshalb der königliche Berater den Beinamen »Brandstifter« erhalten hatte.
»W as?«, fragte der Baron. Angesichts der Beiläufigkeit, mit der Flambard gesprochen hatte, hatte er wohl das Gefühl, nicht recht gehört zu haben.
»Es ist ganz einfach«, wurde Rufus deutlicher, »kehrt mein Bruder nicht zurück, so werde ich Herrscher über England und die Normandie, genau wie mein Vater vor mir. Und dafür, mein treuer Freund, sollt Ihr sorgen.«
»Sire! Ihr … Ihr erwartet von mir, dass ich für Euch zum Mörder werde? Zum Assassinen?« Wieder erhellte ein Blitz das Innere der Kapelle und beleuchtete das Gesicht des Barons. Die Farbe war aus seinen fleischigen Zügen gewichen, sein Blick verriet ehrliches Entsetzen.
»Ihr solltet Eure Worte mit mehr Bedacht wählen«, wies Flambard ihn zurecht, zischend wie eine Schlange kurz vor dem Biss. »W as der König von Euch verlangt, ist nicht mehr und nicht weniger als treue Pflichterfüllung.«
»Aber Sire!« Renalds Blick glitt hilflos zwischen seinem Lehnsherren und dessen oberstem Berater hin und her. »Ich habe einst Eurem Vater die Treue geschworen! Ich kann mich nicht gegen sein eigen Fleisch und Blut wenden!«
»W arum nicht?«, fragte Rufus. »Habt Ihr nicht auch gegen Roberts Truppen gekämpft, als ich Euch dazu aufrief?«
»Natürlich, aber …«
»Und hat mein Vater zu seinen Lebzeiten nicht selbst gegen Robert gefochten?«
»Und ihm auf dem Totenbett verziehen«, fügte der Baron h inzu. »Ich selbst war dabei, als der König seinen letzten Atemzug tat, als er den Allmächtigen um Ablass bat für seine Sünden und sich nichts sehnlicher wünschte als Frieden mit dem abtrünnigen Sohn. Verlangt Ihr, dass ich mich darüber hinwegsetze?«
»Nicht ohne Gegenleistung«, versicherte Flambard. »Ihr dürft Euch sicher sein,
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