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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kehle. B lut spritzte hervor, das seine Gedanken besudelte und auch noch den letzten Rest an Skrupeln fortspülte. Sein ganzes Leben lang hatte sich Conn nicht um die Obrigkeit gekümmert. Er hatte sein eigenes Leben zu leben versucht und sich nicht um das geschert, was die Reichen und Mächtigen taten. Warum nur hatten sie es nicht genauso gehalten? Warum waren sie in dieser Nacht in seine Welt eingebrochen und hatten sie zerstört, so grausam und endgültig, wie es nur sein konnte?
    In seiner Raserei verließ Conn das Sklavenquartier und rannte hinaus in die Nacht. Um Nias Leichnam wollte er sich später kümmern, zuerst sollte ihr Mörder für sein Verbrechen bezahlen. Lauthals brüllte er Guillaumes Namen, aber infolge des tobenden Gewitters und des prasselnden Regens hörte ihn niemand. Daraufhin stürmte er die Stufen des Turmes hinauf und hämmerte gegen die Tür der großen Halle.
    »Lasst mich ein!«, brüllte er dazu. »Hört Ihr nicht? Ihr sollt mich einlassen …!«
    Das Spähloch in der Tür wurde geöffnet, und ein energisch blickendes Augenpaar erschien, das ihn von Kopf bis Fuß musterte. »W as willst du, Angelsachse?«
    »Lasst mich ein«, ächzte Conn.
    »Frierst wohl wie ein Hund da draußen, was?«, spottete der Türwächter grinsend, der Conns totenbleiche Züge und seine geröteten Augen offenbar falsch deutete. »V on mir aus, komm herein und schlaf deinen Rausch aus. Aber mach keinen Ärger, hörst du?«
    Conn erwiderte etwas Unverständliches, und der Normanne ließ ihn ein, freilich nicht ohne ihn wegen seiner zerlumpten und völlig durchnässten Erscheinung auszulachen.
    Conn musste an sich halten, um sich nicht mit bloßen Fäusten auf den Kerl zu stürzen. Mit Tränen in den Augen schaute er sich in der Halle um, erblickte ringsum nichts als fremde Gesichter, feixend und scherzend, Nias schrecklichen Todes ungeachtet. Conn stand kurz davor, sein Messer zu zücken und auf die herzlose Meute einzustechen, was ihn f raglos in den Kerker bringen und seinen Racheplänen ein jähes Ende setzen würde – als durch einen Nebeneingang ein Mönch die Halle betrat. Jenseits des Durchgangs gab es offenbar eine Kapelle, und kurz entschlossen lenkte Conn seine Schritte dorthin.
    Was genau er in der Kapelle wollte, konnte er nicht sagen. Suchte er Ruhe? Göttlichen Beistand? Wollte er seinen Racheschwur im Angesicht des Ewigen bekräftigen? Oder erhoffte er sich in seiner Verzweiflung einfach nur ein wenig Trost?
    All das war möglich, und vermutlich steckte in jeder dieser Antworten ein wenig Wahrheit. Ohne von irgendjemandem aufgehalten oder auch nur beachtet zu werden, huschte Conn in das schweigende, menschenleere Dunkel, das jenseits der Tür herrschte, und schloss sie hinter sich.
    Der Lärm der Halle blieb hinter ihm zurück. Der Geruch von kaltem Weihrauch legte sich wie Balsam auf seine geschundene Seele. Conn wurde ruhiger, und anders als zuvor, als Zorn und Rachsucht ihn beherrscht hatten, brach sich der Schmerz nun ungehindert Bahn.
    Conn sank nieder und betete, weder mit gefalteten Händen noch nach einer vorgegebenen Formel, sondern getrieben von unsagbarem Schmerz, der ihm die Worte eingab und ihn zum Herrn sprechen, ihn mit dem Schöpfer hadern und ihn nach dem Grund für das Schreckliche fragen ließ, das ihm widerfahren war.
    Doch Conn erhielt keine Antwort.
    Sein Flüstern verklang unerwidert, und die bitteren Tränen, die er vergoss und die auf den steinernen Boden der Kapelle tropften, wurden nicht getrocknet. Gott, davon war er schließlich überzeugt, hatte ihn vergessen, wenn er überhaupt je Notiz von ihm genommen hatte.
    Und dann, plötzlich, erhielt Conn Gesellschaft.
    Stimmen näherten sich, und über ihm, im oberen Stockwerk der Kapelle, das mit größerem Prunk ausgestattet und f raglos den Mächtigen vorbehalten war, wurden Stimmen vernehmbar, die sich in gedämpftem Tonfall unterhielten.
    Conn erstarrte.
    Sein erster Impuls war, die Flucht zu ergreifen, aber fraglos hätte man das Öffnen der Tür bis hinauf gehört. Das letzte, was er wollte, war Aufmerksamkeit. Also harrte er aus, und als jemand die Treppe herabkam, flüchtete er sich rasch hinter eine der steinernen Säulen, die das obere Stockwerk der Kapelle stützten und in deren dunkle Nischen der spärliche Kerzenschein nicht reichte.
    Dort stand er die ganze Zeit über …
    … und lauschte unfreiwillig.
    Die Stimmen – Conn glaubte, vier Männer und eine Frau zu unterscheiden – unterhielten sich in

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