Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Angebot Eures Sohnes annehmen will oder nicht.«
»Kann ich mich denn auf Euch verlassen, junger Freund?«, wandte Rufus selbst sich an Guillaume, während seine so unterschiedlichen Augen ihn von Kopf bis Fuß musterten. »V ielleicht habt Ihr gehört, was man über mich erzählt. Es heißt, der König hätte keine Freunde, und das ist nur zu wahr. Mein Vater hat sich zeit seines Lebens mit Gefolgsleuten und Speichelleckern umgeben, und was hat es ihm eingetragen? Die meisten von ihnen, sogar sein eigener Bruder, haben versucht, ihn um der Macht willen zu hintergehen. Man tut also gut daran, wohl zu erwägen, wem man Vertrauen schenkt und wem nicht.«
»Meine Loyalität gehört Euch, Sire«, versicherte Guillaume und beugte abermals die Knie vor seinem Herrscher. Der König musterte ihn auch dann noch, als er sich wieder erhoben h atte. Unablässig glitt sein Blick vom Scheitel hinab zu den Beinen und wieder zurück, wobei Guillaume den Eindruck hatte, dass er in seiner Leibesmitte ein wenig länger verharrte. Und zuletzt glaubte er gar – aber natürlich konnte dies nur ein Irrtum sein! – etwas Begehrliches im Blick des Monarchen auszumachen.
»Nun gut, Guillaume de Rein«, erklärte er sich schließlich großmütig bereit, wobei sein ohnehin schon rotes Gesicht noch ein wenig dunkler wurde, »ich nehme Euer Angebot an. Bringt Ihr erfolgreich zu Ende, was wir Euch aufgetragen haben, so werdet Ihr reich dafür belohnt. Versagt Ihr jedoch, werde ich leugnen, Euch je gekannt zu haben.«
»Ich verstehe, mein König«, sagte Guillaume.
»Und was ist mit mir?«, erkundigte sich Renald ungehalten.
Flambard schaute ihn an wie eine Made, die er in einem Stück Brot gefunden hatte. »Da Eure Gemahlin hoch in der Gunst des Königs steht und Euer Sohn sich so freimütig erboten hat, Eure Stelle einzunehmen, wird Eure Weigerung folgenlos bleiben. Wir erwarten allerdings, dass Ihr Euren Sohn auf der langen Reise begleiten und ihn auf jede nur denkbare Weise unterstützen werdet.«
»W as?«
»Betrachtet es als Sicherheit. Weigert Ihr Euch oder solltet Ihr Euch außerstande sehen, die unbedingte Notwendigkeit dieses Schrittes zu begreifen, so fallen Euer Titel und Euer Besitz der Krone zu.«
»Das würdet Ihr nicht wagen«, knurrte de Rein.
»Mit Verlaub, wer sollte uns daran hindern – Ihr etwa? Durch Eure Entscheidung, werter de Rein, habt Ihr Euch in eine unvorteilhafte Lage gebracht, und wäre es nicht um Euer Weib und Euren Sohn …«
Flambard verstummte jäh, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Es war ein leises Klicken, gefolgt von einem Rieseln, das von irgendwo unter ihnen zu kommen schien. Der königliche Berater fuhr herum, hastete zum Geländer der Boden ö ffnung und starrte mit eng zusammengekniffenen Augen in das Halbdunkel, das unten herrschte. Dann, als erneut ein flackernder Blitz das Innere der Kapelle erhellte, glaubte er, etwas auszumachen.
»Da ist jemand!«, keifte er laut und außer sich. »W ir wurden belauscht!«
Die Zeit nach Nias Tod verbrachte Conn wie in einem Albtraum.
Gefangen in einem dunklen Gefängnis aus Trauer und Verzweiflung, in das kein Strahl der Hoffnung drang, sann er auf Rache. Der geschundene Körper seiner Geliebten war in seinen Armen noch nicht erkaltet, da schwor er bereits, sie zu rächen und den Mann zu töten, der sie so grausam aus dem Leben gerissen hatte.
Guillaume de Rein.
Immer wieder hörte er Emmas Stimme den Namen des Mörders sagen, wie ein Echo hallte er durch seinen Kopf. Conn kannte diesen de Rein nicht, aber fraglos war er einer jener normannischen Ritter, die auf alles, was nicht Ihresgleichen war, mit tiefer Verachtung blickten. Vor Conns geistigem Auge nahm Guillaume Gestalt an, nicht als Mensch, vielmehr als gehörnter Dämon mit blutenden Augen, und sein Wunsch, ihn zu töten, wurde übermächtig. Selbst in seiner Verblendung war Conn klar, dass ein Angriff auf einen normannischen Edlen ein Schwerverbrechen darstellte und dass er dies nicht überleben würde. In seiner Verzweiflung war es ihm aber nicht nur gleichgültig, sondern er sehnte den Tod geradezu herbei, nun, da ihm alle Freude im Leben genommen war. Nur der eine Wunsch beseelte ihn, Nias Peiniger und Mörder zurück in den dunklen Höllenpfuhl zu stürzen, dem er entstiegen war.
Guillaume de Rein.
In seinen Gedanken riss er die nur eine Handspanne lange rostige Klinge, die er unter seinem Rock bei sich trug, gewiss ein Dutzend Mal heraus und trieb sie dem Mörder in die
Weitere Kostenlose Bücher