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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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davongetragen hatte, war sein Hals glitschig von Blut, sodass der Normanne ihn nicht zu fassen bekam. Mit einer Drehung entwand sich Conn seinem Griff, und seine geballte Faust drosch dorthin, wo er das Gesicht des Gegners vermutete. Der Schlag blieb wirkungslos, weil er zu tief angesetzt war und nur den Kettenkragen des Wächters traf. Conn spürte, wie die Haut über den Knöcheln aufplatzte und ihm warmes Blut an der Hand herabrann. Zu einem weiteren Schlag kam er nicht, weil der Normanne nun seinerseits zuschlug, und das mit weitaus mehr Erfolg.
    Conn sah Sterne vor Augen, als der mit Nieten versehene Handschutz des Bogenschützen ihn traf. Er wankte und kam seitlich zu Fall. Die Pranke seines Gegners packte ihn am Schädel und drückte ihn nieder. Vergeblich versuchte Conn sich zu befreien, schnappte in der Dunkelheit nach Luft, während er das Keuchen des Mannes im Ohr hatte, der ihm den Schädel zerquetschen wollte.
    Die Sinne drohten ihm zu schwinden, als er sich plötzlich seines Traumes entsann, der blutigen Vision, die er gehabt hatte – und des Messers, das darin eine so wichtige Rolle gespielt hatte! Mit zitternden Händen griff er danach, bekam den Griff zu fassen und riss die rostige Klinge heraus.
    Conn überlegte nicht lange, wie er das Messer ansetzen oder wohin er die Klinge lenken sollte. Kurzerhand stach er zu, einmal, zweimal, und plötzlich ging das Keuchen seines G egners in einen gequälten Schrei über. »V erdammter Bastard!«
    Conn schickte noch einen dritten Stich hinterher, dann schüttelte er die kraftlos gewordene Hand des Soldaten ab, rappelte sich auf die Beine und stürzte durch den Ausgang zur Südmauer nach draußen.
    Er war dort nicht allein.
    Nicht nur über den Burghof kamen immer mehr Wachleute und Bogenschützen angerannt; den Wehrgang herab kam eine weitere Meute, angeführt von einem hageren Kerl mit langem blondem Haar, der nur unwesentlich älter sein mochte als er selbst. In der einen Hand führte er ein blitzendes Schwert, in der anderen hielt er eine Fackel, deren Schein seine smaragdgrünen Augen gefährlich funkeln ließ. »Du!«, schrie er. »Bleib stehen!«
    Conn hatte nicht vor, ihm den Gefallen zu tun. Kurzerhand wandte er sich den Zinnen zu und sprang hinauf. Den Fluss gewahrte er unter sich als tiefschwarzes Band, in das der Regen unablässig schäumende Kerben schlug. Die Tiefe, die das Wasser unterhalb der Mauer haben mochte, ließ sich unmöglich schätzen. Conn hoffte nur, dass es tief genug war.
    »Er will springen! Schießt!«
    Conn hörte den Befehl des Blonden, aber er scherte sich nicht darum. Als die Sehnen fauchten, hatte er bereits die Arme nach vorn geworfen und sprang so weit hinaus, wie er nur konnte, hinab in die gähnende Tiefe.
    Einen kurzen Augenblick lang erfüllte ihn das triumphierende Gefühl, seinen Häschern entronnen zu sein. Dann biss ihn etwas in seinen linken Arm.
    Conn kam nicht dazu, Schmerz zu empfinden oder auch nur zu erschrecken, denn der Abgrund verschlang ihn. Einen Lidschlag später stürzte er in die aufgewühlten Fluten.
    Kälte umgab ihn und eine Schwärze, die dunkler war als jede Nacht. Conn merkte, wie die Strömung ihn erfasste und er zum Grund des Flusses hinabgezogen wurde. Er wollte S chwimmbewegungen machen, aber infolge des Fremdkörpers, der in seinem linken Unterarm steckte, gelang es ihm nicht. Noch ehe sich seine Lungen bemerkbar machten und ihn daran erinnerten, dass er ein menschliches Wesen war und Luft zum Atmen brauchte, spürte er den Schmerz.
    Beißend.
    Brennend.
    Überwältigend.
    Vergeblich strampelte Conn mit den Beinen.
    Weder gelang es ihm, zur Oberfläche zu kommen, noch hatte er der Strömung etwas entgegenzusetzen, die ihn gnadenlos mit sich riss. Sehen konnte er nichts, ein Oben und Unten schien es nicht mehr zu geben. Alles, was er wahrnahm, war ein alles durchdringendes Rauschen, wobei er nicht zu sagen vermochte, ob es das Tosen des Flusses oder sein eigenes Blut war, das in seinen Schläfen pulsierte.
    Seine Lungen drohten zu bersten, und er riss die Augen auf, sah jedoch nichts als abgründige Schwärze. Zuerst wehrte er sich noch dagegen, dann befiel ihn Gleichgültigkeit.
    Seine Kräfte ermatteten, und einen Augenblick, ehe er das Bewusstsein verlor, glaubte er, noch einmal Nias zarte Lippen auf den seinen zu spüren. Ein letzter zaghafter Kuss.
    Dann das Vergessen.

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10.
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    Köln
29. Mai 1096
    »Setzt euch, meine Freunde! Setzt euch und hört, was unser hoher Gast zu

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