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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Bar Levi, »und ihr nächstes erklärtes Ziel soll Köln sein. Die Kunde ihrer Bluttaten wird ihnen jedoch fraglos vorauseilen und womöglich auch jene ermutigen, die bereits innerhalb der Stadtmauern weilen.«
    Unter den Ratsmitgliedern brach Unruhe aus. »Dann müssen wir fliehen!«, rief Daniel Mintz laut aus und sprach damit wohl den meisten aus dem Herzen. »W ir müssen die anderen Gemeinden um Hilfe ersuchen und uns und unsere Habe in Sicherheit bringen!«
    Zustimmung wurde laut, vor allem die Vornehmen schienen dies für einen hervorragenden Einfall zu halten. Nicht einmal Mordechai widersprach. Bar Levi jedoch konnte ob solcher Einfalt nicht länger an sich halten und verlor die Beherrschung.
    »Ihr Narren!«, rief er. »W ar es nicht genau das, was Ben Salomon und ich euch vorgeschlagen haben? Was ihr noch vor wenigen Tagen in aller Entschiedenheit abgelehnt und weswegen ihr ihn gar des unlauteren Wettbewerbs bezichtigt habt?«
    Einige Ratsmitglieder fühlten sich ertappt und wichen den tadelnden Blicken des Vorstehers aus, andere begegneten ihnen in unverhohlenem Trotz. Auch Mordechai, obwohl ihm d ie Falschheit seines Handelns inzwischen aufgegangen sein musste, war offenbar nicht gewillt, dies einzugestehen.
    »W as wollt Ihr uns unterstellen, Parnes?«, rief er laut. »Dass wir nicht in bester Absicht gehandelt hätten?«
    »Keineswegs«, konterte Bar Levi, aus dessen kleinen, zu Schlitzen verengten Augen Verachtung sprach. »Aber Eure Absichten galten mehr Eurem Besitz und Eurem eigenen Wohl denn dem der Gemeinde!«
    »Das wollt Ihr mir unterstellen? Nachdem ich für den Großteil der Zahlung aufgekommen bin, die wir zum Schutz der Gemeinde an den Erzbischof entrichtet haben? Nach den weitreichenden Garantien, die Hermann uns dafür gegeben hat?«
    »Habt ihr denn nicht zugehört?«, fragte der Vorsteher unwirsch dagegen, auf den Gast deutend, der wieder in die alte Lethargie zurückgefallen war. »Auch unsere Brüder in Mainz haben sich der Obhut des dortigen Erzbischofs anvertraut, und es ist ihnen schlecht vergolten worden. Womöglich, Ben Neri, hat Eure Selbstsucht uns alle in den Untergang geführt!«
    Isaac fühlte, dass er eingreifen musste. Bislang hatte er geschwiegen und sich nicht an der Versammlung beteiligt, war vielmehr damit beschäftigt gewesen, die Folgen abzuwägen, die diese jüngsten Entwicklungen haben mochten. Nun jedoch sah er sich genötigt, das Wort zu ergreifen, denn der Rat war auf dem besten Weg dazu, auseinanderzubrechen. Wenn das geschah, gab es niemanden mehr, der sich für das Wohl der Gemeinde einsetzte und mit einer Stimme für sie sprach – und dazu durfte es in Zeiten wie diesen keinesfalls kommen. Auch Isaac war wütend, allerdings nicht so sehr auf den Grafen Emicho und seine Mordbrenner oder auf Mordechai und seine Anhänger, die sich jedem vernünftigen Argument verschlossen hatten und sich erst jetzt dem Druck der Notwendigkeit beugten; es war die menschliche Natur selbst, die dem alten Kaufmann zu schaffen machte und für die er bisweilen nur noch Abscheu empfand.
    » Ich glaube nicht, meine Freunde«, rief er in die Runde, noch ehe Mordechai auf Bar Levis Vorwurf reagieren konnte, »dass wir uns darüber streiten sollten, wer Schuld an dieser Katastrophe trägt, zumal sie eindeutig bei denen zu suchen ist, die das Blutvergießen begonnen haben und brandschatzend durch die Lande ziehen. Was unser Volk jetzt mehr als alles andere braucht, ist Einigkeit und kluger Ratschluss.«
    »Und das sagt ausgerechnet Ihr, Ben Salomon?« Mordechais Verblüffung war echt.
    »Natürlich. Denn ich bin älter als Ihr und Euch um eine wesentliche Erfahrung voraus.«
    »W as für eine Erfahrung?«
    »Dass der Schrecken, der bisweilen unvorhergesehen in unser Leben eindringt, uns zu Veränderungen zwingt. Inzwischen habt offensichtlich auch Ihr dies erkannt, mein Freund, doch so sehr ich Eure Einsicht schätze, so sehr fürchte ich, dass sie zu spät kommt. Die Möglichkeit, andere Gemeinden um Zuflucht zu bitten, ist bereits verstrichen, denn bis die Boten, die wir entsenden, zurückgekehrt sind, wird der mörderische Feind die Stadt längst erreicht haben. Und wir sollten nicht …«
    Er verstummte, als von draußen plötzlich Lärm zu hören war.
    Das heisere Gelächter mehrerer Männer.
    Der schrille Schrei einer Frau.
    Das Klirren von Glas.
    »W as ist da los?«, wollte Samuel, der Goldschmied, wissen.
    Einen schrecklichen Augenblick lang starrten die Ratsmitglieder einander

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