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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ein festes Vorhaben.
    Mit pochendem Herzen schlug Chaya die wollene Decke zurück und rollte sich aus der Nische. Sie fröstelte, als ihre nackten Füße den kalten Steinboden berührten. Auf leisen Sohlen schlich sie zum Lager ihres Vaters, der auf der Seite lag, mit dem Gesicht zur Wand, und tief und gleichmäßig atmete. Der Behälter mit dem Buch lag neben ihm auf dem strohgefüllten Leinensack. Lautlos ließ sich Chaya auf die Knie nieder, wollte nach dem Köcher greifen …
    »Chaya?«
    Sie schreckte zusammen. Ihre Hand, die das Leder fast schon berührt hatte, zuckte zurück.
    »J-ja, Vater?«
    » Geh wieder ins Bett«, wies der alte Isaac sie mit ruhiger Stimme an. Obwohl er sich nicht bewegt hatte und noch immer mit dem Gesicht zur Wand lag, schien er genau zu wissen, was sie vorgehabt hatte.
    »V ater, ich …«
    »Schlafe«, sagte er nur.
    Chaya wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Erschrocken und eingeschüchtert zugleich ließ sie von ihrem Vorhaben ab und kehrte auf leisen Sohlen zu ihrer Nische zurück, kroch fröstelnd unter die Decke und schlief irgendwann ein.
    Ihr Schlaf war unruhig und voll unheilvoller Träume. Als sie am Morgen aufwachte, war sie sich nicht sicher, ob jener merkwürdige Vorfall sich tatsächlich ereignet hatte oder ob sie ihn gleichfalls nur geträumt hatte. Da der alte Isaac kein Wort darüber verlor, beschloss sie, die Sache ruhen zu lassen.

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19.
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    Ligurien
Ende September 1096
    Infolge der fortgeschrittenen Jahreszeit war der Marsch über die Alpen beschwerlich gewesen. Anfangs hatte die Milde des Spätsommers das Heer, das sich von Vienne aus nach Südosten gewandt hatte, noch ein gutes Stück begleitet. Aber je höher hinauf die Streiter Christi gelangt waren und je karger die Landschaft um sie herum geworden war, desto kälter war es vor allem in den Nächten geworden. Regengüsse hatten eingesetzt, und zuletzt hatte ein Herbststurm, der eine ganze Nacht lang gewütet und die Gipfel der Berge anderntags weiß gefärbt hatte, den Teilnehmern des Feldzugs zum ersten Mal einen Eindruck davon vermittelt, was es bedeutete, den Launen von Wind und Wetter nahezu schutzlos ausgeliefert zu sein.
    Für viele, vor allem für die hohen Herren und Damen, die im Zug reisten, war dies eine neue Erfahrung – für Conn fühlte es sich eher so an, als wäre er in sein altes Leben zurückgekehrt. Zwar war das Wetter in den Bergen rauer als in London, aber er war daran gewohnt, unter freiem Himmel zu nächtigen. Und er machte die Erfahrung, dass ein Stein, auf den man das Haupt bettete, überall auf der Welt gleich hart war und Schweiß und Exkremente überall den gleichen Gestank verbreiteten. Und noch etwas hatte er während der vergangenen Tage feststellen müssen: dass die Wunde an seinem linken Arm immer schlimmer wurde.
    A nfangs war es nur ein stechender Schmerz gewesen, den Conn hin und wieder gefühlt hatte. Doch der wässrige Eiter, der irgendwann aus der Wunde ausgetreten war, hatte darauf schließen lassen, dass sie sich entzündet hatte. Entgegen Conns Hoffnung, die Schwellung würde zurückgehen und der Schmerz sich wieder legen, hatte der Schmerz im Lauf des Marsches immer weiter zugenommen. Auch die Kräuter, die einer der Cluniazensermönche ihm hin und wieder auflegte und die Baldric mit teurem Geld bezahlte, hatten daran nichts geändert.
    Im Gegenteil.
    Der Eiter, der aus der sich immer wieder öffnenden Wunde rann, wurde dickflüssig und gelb, und das Fleisch begann sich dort, wo der Pfeil eingetreten war, dunkel zu verfärben. Conn wusste, dass dies kein gutes Zeichen war, noch mehr beunruhigte ihn jedoch die zunehmende Kraftlosigkeit in seinem Arm, die schließlich dafür sorgte, dass die abendlichen Waffenübungen, in denen Conn es zuletzt zu einigem Geschick gebracht hatte, ausgesetzt werden mussten. Dass Bertrand ihn dafür in der hohen Kunst des Lesens und Schreibens unterwies und er inzwischen bereits in der Lage war, die meisten Buchstaben nicht nur zu entziffern, sondern sie auch mit ungelenker Hand auf den Boden zu schreiben, war dabei nur ein schwacher Trost.
    Als die Kreuzfahrer am Tag des Heiligen Michael Genua erreichten, jene mächtige, an einer sichelförmigen Bucht gelegene Hafenstadt, wurden sie dort bereits erwartet. Die Kunde ihres baldigen Eintreffens war ihnen vorausgeeilt, und die Stadtväter hatten sich in mehrfacher Hinsicht auf ihre Ankunft vorbereitet. Denn zwar war man einerseits gewillt, die Streiter Christi freundlich

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