Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Gefilde. Die Inhaber der hier ansässigen Geschäfte hielten Mittagsruhe; die meisten Läden waren geschlossen, verhaltene Stille lag über den schmalen Steinschluchten, durch die beständig der Wind pfiff. Und ebenjener Wind, der nach Salz und Seetang roch, trug plötzlich einen gellenden Schrei heran.
Baldric blieb abrupt stehen, die Hand am Griff seines Schwertes. »Hast du gehört?«
»Laut und deutlich«, bestätigte Conn.
Da es den Anschein hatte, als wäre der Schrei geradewegs die Gasse herabgekommen, folgten sie ihr um die nächste Biegung und einige steile Stufen hinauf – und wurden unvermittelt Zeugen eines Überfalls.
Die Opfer waren zwei Männer, die in weite Reisemäntel gehüllt waren – zweifellos Kaufleute, die fremd waren in der Stadt und sich in die falsche Gegend gewagt hatten. Der eine war zu Boden geschmettert worden, der andere rang verzwei f elt mit einem der Angreifer, aber es war abzusehen, wie der Kampf enden würde.
Die Räuber waren in der Überzahl.
Fünf oder sechs von ihnen drängten sich auf der Gasse, schmutzige Gesellen mit verwildertem Haar, deren speckige Tuniken in Fetzen hingen. Wenigstens einer von ihnen hatte die Härte des Gesetzes schon zu spüren bekommen: Die Lippen waren ihm – wohl weil er gelogen hatte – abgeschnitten worden, sodass sich sein gelbes Gebiss in einem bizarren, fortwährenden Grinsen präsentierte, während er seinen Gegner zu überwältigen suchte. Der Kaufmann, ein Greis mit weißem Haar, wehrte sich nach Kräften, aber der Knüppel, den der Bandit in der Hand hielt, traf ihn an der Schläfe und schickte ihn zu Boden. Der andere Mann, der sehr viel jünger zu sein schien, schrie entsetzt auf – und Baldric handelte.
Mit einer fließenden Bewegung, die den geübten Krieger verriet, riss der Normanne das Schwert aus der Scheide und stürmte die Gasse hinauf, bereit, sich den Räubern entgegenzustellen. Conn setzte ihm hinterdrein, den Qualen zum Trotz, die durch seinen Körper tobten, und den Dolch in der Hand, den er hastig gezückt hatte. Zwar hatte er keine Ahnung, wie der Kampf ausgehen würde, aber er wollte auch nicht zurückstehen, wenn sich sein Herr in Gefahr begab.
Zur Konfrontation kam es nicht.
Sobald die Banditen den Normannen erblickten, der im Kettenpanzer und mit gezückter Klinge einen furchterregenden Anblick bieten musste, verließ sie der Mut. Schreiend stürzten sie davon, noch ehe die Spitze von Baldrics Schwert sie erreichen konnte, und waren schon im nächsten Moment in dunklen Löchern verschwunden, Mäusen gleich, die sich vor der Katze flüchteten.
Baldric verzichtete darauf, sie zu verfolgen. Stattdessen kam er dem Alten zur Hilfe, der sich auf dem Boden wand. Der Hieb des Räubers hatte ihm eine Platzwunde beigebracht, aus der ein dünner Blutfaden über seine Schläfe rann.
D er Jüngere rief etwas. Er sprang auf die Beine, noch ehe Conn ihm ebenfalls behilflich sein konnte, und eilte zu dem Alten. Mit dem Ärmel seines Gewandes wischte er dem Schlohhaarigen das Blut aus dem Gesicht und inspizierte die Wunde, schien jedoch zu dem Schluss zu kommen, dass sie nicht weiter bedrohlich war. Die beiden wechselten miteinander einige Worte in einer Sprache, die Conn nicht verstand. Dabei streifte der Jüngere ihn und Baldric mit einem argwöhnischen Blick.
Schließlich half der Jüngling dem Alten dabei aufzustehen, und dieser unternahm einige Versuche, Baldric anzusprechen. Conn war beeindruckt, in wie vielen Zungen der Greis zu sprechen schien, darunter auch Französisch, das mit einem harten Akzent behaftet war. Gewiss war es jedoch nicht schlechter als das von Conn, obschon dieser es in den zurückliegenden Wochen laufend verbessert hatte.
»Könnt Ihr mich verstehen, edle Herren?«, erkundigte er sich und schaute zuerst Baldric, dann Conn fragend an.
»W ir verstehen Euch«, bestätigte Baldric. »Seid Ihr wohlauf?«
»Ich denke, es ist nur ein Kratzer«, erwiderte der Alte, auf die Wunde an seiner Schläfe deutend, »und das verdanken wir Euch.«
»W ir haben nur getan, was die Pflicht eines jeden Mannes von Ehre ist«, entgegnete Baldric mit der ihm eigenen Bescheidenheit, von der Conn inzwischen wusste, dass sie nicht geheuchelt, sondern tatsächlich Teil seines schlichten und bisweilen doch so undurchschaubaren Wesens war.
»Dennoch sind wir Euch zu tiefem Dank verpflichtet«, beharrte der Alte. »W enn es eine Weise gibt, auf die wir uns erkenntlich …« Seine Rede stockte jäh, als würden ihm die
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