Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
aufzunehmen und mit ihnen nach Möglichkeit Geschäfte zu machen; andererseits wollte man jedoch vermeiden, dass fremde Soldaten in großer Zahl in die Stadt gelangten und dort womöglich Unruhe stifteten oder plünderten, was keine Seltenheit war. Man hatte daher mit den Heerführern Absprachen getroffen und vereinbart, dass d ie vereinte Streitmacht der Nordfranzosen auf den nordöstlich der Stadt gelegenen Höhenzügen lagern sollte und dass man weiterziehen würde, sobald Vorräte und andere Dinge des täglichen Gebrauchs ergänzt wären. Des Weiteren wurde es nur kleinen Gruppen von Kämpfern gestattet, sich in der Stadt zu bewegen, unter ihnen natürlich die Fürsten des Feldzugs sowie ihre Unterführer und deren Damen. Allen anderen wurde nur in Ausnahmefällen Zugang zur Stadt gewährt. Conn wusste beim besten Willen nicht, wie es Baldric gelungen sein mochte, für sich und zwei seiner Gefährten eine solche Erlaubnis zu erwirken. Irgendwie hatte der Normanne es jedoch bewerkstelligt, und so sah der Tag nach Michaelis ihn, Conn und den geschwätzigen Bertrand am Hafen entlangspazieren, der vor Betriebsamkeit zu bersten schien.
Überall an den Kais und Stegen lagen Schiffe vertäut, um die geschäftiges Treiben herrschte; Arbeiter, die Kisten, Fässer und Stoffballen trugen, wimmelten wie Ameisen umher, Viehherden und Fuhrwerke drängten sich. Und in all dem Getümmel waren vornehm gekleidete Männer auszumachen, die das Durcheinander mit kritischem Blick beaufsichtigten – Kaufleute und Schiffskapitäne aus aller Herren Länder, ihre Hautfarben und Kleider in einer Vielfalt, wie Conn sie nie zuvor erblickt hatte. Die Schiffe, die an den Kais entladen oder für eine neue Fahrt gerüstet wurden, waren große Handelssegler, die ganz anders aussahen als jener Knorr, der Conn und seine Gefährten von der englischen Küste zum Festland getragen hatte; die meisten der hier vor Anker liegenden Schiffe waren breit und vergleichsweise kurz und sahen in Conns Augen wie riesige Bottiche aus, über denen je nach Größe eines oder auch zwei Dreieckssegel flatterten. Aber es gab auch schwere Kriegsgaleeren, die größer waren als alles, was Conn je zuvor auf dem Wasser hatte schwimmen sehen. Wie Bertrand mit der üblichen Beflissenheit mitteilte, wurden sie Dromone genannt und waren in der Bauweise den Kampfschiffen der Byzantiner nachempfunden.
A nders als sein redseliger Gefolgsmann schien Baldric weniger an den nautischen Errungenschaften interessiert zu sein als vielmehr an der Weite des Meeres und der Schönheit der Landschaft, die sich wie eine Burgmauer rings um das Hafenbecken erhob und an der die steinernen Häuser der Stadt wie wilder Wein emporzuwachsen schienen.
»Sieh dir das an, junger Angelsachse«, sagte er zu Conn, als sie das Ende der Kaimauer erreicht hatten, wo das Gewirr weniger dicht und das Geschrei weniger laut war. »Gebietet dieser Anblick nicht Ehrfurcht vor der Schöpfung des Herrn?«
Conn blieb eine Antwort schuldig. Er sah das mare mediterraneum zum ersten Mal in seinem Leben, aber mehr noch als der bestaunenswerte Anblick hielt ihn sein linker Arm in Atem. Die Schwellung hatte weiter zugenommen, sodass er ihn kaum noch bewegen konnte. Schlaff und kraftlos hing der Arm in der Schlinge, die Conn um den Hals trug. Vor allem nachts war die Pein kaum zu ertragen, sodass Conn zuletzt kaum ein Auge zugetan hatte. Entsprechend bleich war er um die Nase und entsprechend dunkel die Ränder um seine Augen.
»Mir will scheinen, Herr Baldric, dass unser junger Freund keinen rechten Sinn für die Schöpfung hat«, merkte Betrand feixend an. »V ielleicht sollten wir lieber eine Taverne aufsuchen und ihn und uns mit einem guten Krug Wein bekannt machen.«
»Kein Wein für mich«, wehrte Baldric ab. »Den weltlichen Dingen habe ich abgeschworen, wie du weißt. Ich möchte den heiligen Boden reinen Gewissens betreten.«
»Zu schade.« Bertrand schnitt eine Grimasse. »Ich habe gehört, nicht nur der hiesige Wein, sondern auch die Frauenzimmer sollen von erstklassiger Qualität sein.«
»Dann tu, was zu lassen dir offenbar nicht gelingt«, seufzte Baldric mit tadelndem Blick. »W ir treffen uns im Lager.«
»Sehr wohl.« Bertrand verbeugte sich übermütig, dass seine wirren Haare nur so flogen. »Und was ist mit unserem Angel s achsen? Hat er den Freuden von Weib und Gesang ebenfalls entsagt?«
»Mein guter Bertrand«, tadelte Baldric, ohne dass Conn zu sagen vermocht hätte, ob es ihm ernst war
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