Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
oder ob er scherzte, »du bist schlimmer als die Schlange im Paradies. Wärst du an ihrer Stelle dort gewesen, hättest du der armen Eva nicht nur einen Apfel, sondern einen ganzen Krug Cidre angeboten.«
»Nur wenn er süß genug gewesen wäre«, antwortete Bertrand grinsend. »Mit allem anderen hast du natürlich recht. Bedenke, dass die Jugend anderer Dinge bedarf als das Alter.«
»Mein guter Bertrand – so jung bist du nicht mehr.«
»Ich habe auch nicht von mir gesprochen, sondern von unserem angelsächsischen Freund hier«, konterte Bertrand, auf Conn deutend. »Er sieht elend aus. Der Marsch über die Berge scheint ihm nicht gut bekommen zu sein. Ein wenig Abwechslung und Kurzweil würden seiner schlichten Seele gewiss guttun.«
»Also schön«, erklärte Baldric sich zu Conns Überraschung bereit, »ich gebe mich geschlagen. Vielleicht hat Bertrand recht, und ich habe dich zu hart rangenommen. Wenn du willst, geh mit ihm, Conwulf.«
»Herr, das ist sehr großzügig von Euch. Aber ich möchte nicht«, erwiderte Conn.
»Nein?«, fragte Bertrand verdattert.
»Nein«, bekräftigte Conn in seine Richtung. Zum einen wäre er sich schäbig dabei vorgekommen, sein Lager mit einer Dirne zu teilen, solange sein Herz noch voller Trauer um Nia war. Zum anderen war der Schmerz in seinem Arm so stark, dass er ernstlich bezweifelte, ob seine Manneskraft ausgereicht hätte, um …
»Da siehst du es, du Nimmersatt«, sagte Baldric und klopfte Conn anerkennend auf die Schulter. Fast schien der Normanne etwas wie väterlichen Stolz auf seinen unfreiwilligen Diener und Knappen zu empfinden. »Nimm dir ein Beispiel an unse r em Angelsachsen, statt dich seiner zu bedienen, um deinen eigenen Mangel an Moral zu vertuschen.«
Bertrands feiste Miene zerknitterte sich in gespielter Trauer. »W ohlan denn. So muss ich denn allein gehen, im beschämenden Bewusstsein, dass die Tugend eines angelsächsischen Bauerntrampels der meinen weit überlegen ist.«
»Lass es dir eine Lehre sein«, gab Baldric ihm mit auf den Weg, aber seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass seine Hoffnung diesbezüglich nicht sehr groß war.
»Das werde ich. Aber erst morgen.«
Damit verschwand Bertrand hinter einem mit Fässern beladenen Fuhrwerk, das den Kai herabgefahren kam, und Conn sagte sich einmal mehr, dass Bertrand ein ziemlich eigenartiger Pilger war.
Baldric schien seine Gedanken zu erraten. »Du musst ihm sein Verhalten nachsehen. Bertrands Absichten sind bisweilen sehr viel größer als sein Herz – und manchmal auch viel kleiner.«
»Ich weiß«, sagte Conn nur.
»Mit einem hatte er allerdings recht. Du siehst blass aus.«
Conn nickte. Wenn er auch nur halb so elend aussah wie er sich fühlte, musste er einen ziemlich erschreckenden Anblick bieten. Nicht nur, dass der Schmerz beständig an ihm zehrte, er schien sich allmählich auch auf den ganzen Körper auszubreiten.
»W as meinst du?«, fuhr Baldric fort. »Sollen wir uns ein wenig stärken, ehe wir ins Lager zurückkehren?«
Conn war erstaunt. Es war durchaus nicht üblich, dass ein Herr seinem Diener die Wahl darüber überließ, ob sie eine Mahlzeit einnehmen sollten, und es geschah zum allerersten Mal. Entweder wollte Baldric ihn belohnen, weil er sich dagegen entschieden hatte, zusammen mit Bertrand dem hemmungslosen Vergnügen zu frönen, oder aber, und das erschien Conn wahrscheinlicher, er erweckte den Anschein, jeden Augenblick vor Schwäche umzufallen.
E r nickte dankbar, worauf Baldric ihm ermunternd auf die Schulter klopfte und ihm bedeutete, mit ihm zu kommen. Sie verließen die Hafenzeile durch eine schmale Gasse, in der sich eine Spelunke an die andere reihte – Tavernen, wie sie überall in Hafengegenden anzutreffen waren und in denen gepanschter Wein und billiges Bier ausgeschenkt wurden. Den Blick fest aufs Ende der Gasse geheftet, dirigierte Baldric seinen Schützling an triefäugigen Werbern vorbei, die ahnungslose Passanten in ihre Lokale zu locken suchten, aus denen schon am hellen Tag das Gegröle der Betrunkenen drang. Bettler lungerten in den Nischen, dazu Sklavinnen und Freudenmädchen, die ihre Reize mehr oder minder unverhüllt zur Schau stellten und von fettbäuchigen Zuhältern feilgeboten wurden wie andernorts frisch geschlachtetes Fleisch.
Vorbei an hohen, vielstöckigen Häusern, die ganz aus Stein errichtet waren und sich teils so dicht gegenüberstanden, dass kaum noch Licht in die Gassen fiel, gelangten Conn und Baldric in ruhigere
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