Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
durch die morgendliche Winterstille. Unverständliche Worte auf Serbisch.
Aelvin blieb wie angewurzelt stehen.
» Komm schon! «, fauchte Libuse ihm zu.
Aelvin schaute über die Schulter und sah, wie die Räuber aus dem Stall zu einem Mann hinübereilten, der zwischen zwei Hütten nahe der Ringmauer stand. Er sah nicht zu Aelvin und Libuse herüber, sondern gestikulierte wild in Richtung der Männer.
Libuse packte Aelvin am Ärmel. Stolpernd sprangen sie an den eingeschneiten Gerätschaften der Silberschürfer vorbei in den Schatten des Mineneingangs. Das Dämmerlicht blieb zurück, Dunkelheit griff nach ihnen. Aus der Tiefe des Berges wehte ihnen ein eiskalter, muffiger Geruch entgegen.
» Sie haben uns nicht gesehen «, sagte sie.
Er folgte ihr die wenigen Schritte bis zu den Balken, die kreuz und quer zwischen den Felswänden verkantet waren. Ihre Füße hinterließen deutliche Fußstapfen in der dünner werdenden Schneedecke. Ihm war schlecht. Er zitterte vor Aufregung und Kälte. Als Libuse ihre Kapuze zurückschlug, sah er, dass es ihr nicht besser erging.
Er löste den Luminaschrein von seinem Körper, um ungehindert hinter Libuse her durch die Zwischenräume der Balken zu klettern. Das Holz war mit Eis überzogen, gena u w ie der rohe Felsboden des Stollens. Bevor Aelvin sich durch die Lücke schob, reichte er Libuse die Lumina. Sie nahm sie beidhändig und mit merklicher Ehrfurcht entgegen.
Hinter dem Balkengewirr führte der Schacht tiefer in den Berg. Das Licht vom Eingang reichte noch drei, vier Schritt weit, zersplittert zwischen den Schatten der Balken. Dahinter versank alles in Finsternis. Der Boden war leicht abschüssig und mit feinem Geröll bedeckt, der Schacht gerade breit genug, dass zwei Männer mit Schubkarren einander beim Auf- und Abstieg passieren konnten.
Libuse blieb stehen und hatte für einen Moment nur Augen für den Luminaschrein in ihren Händen. Die Eisschicht zwischen Gitter und Glas war unter Aelvins Mantel angetaut. Mit den Fingerspitzen kratzte und schabte sie das Glas frei und versuchte, einen Blick auf die Pflanze im Inneren des Behälters zu werfen.
» Wie geht es ihr? «, fragte Aelvin.
» Schwer zu sagen. Es ist zu dunkel. «
» Ist Wasser eingedrungen? «
» Kann ich nicht erkennen. Zumindest ist das Glas nicht gesplittert. Aber ob irgendwo Risse sind … ich weiß nicht. «
» Wir hätten draußen im Hellen einen Blick darauf werfen sollen. «
Sie zuckte die Achseln. » Sie muss durchhalten, so oder so. Falls nicht, liegt es nicht in unserer Macht, irgendwas daran zu ändern. «
Aelvin musterte Libuse in der Dunkelheit, konnte aber ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen.
» Spürst du etwas? «, fragte er.
» Ich bin nicht Favola. «
» Aber du redest mit Bäumen. Du hast dein ganzes Leben im Wald verbracht. Das Erdlicht … « Er stockte. » Das Erdlicht ist eine große Gabe. «
Nach kurzem Zögern seufzte sie leise. » Favola hat gesagt , die Lumina spricht zu ihr. Aber falls das wirklich stimmt … nun ja, ich kann jedenfalls nichts hören. «
» Versuch es trotzdem. «
Sie stand da, hielt die Lumina in ihrem Arm wie ein Neugeborenes und versuchte, auf eine Stimme in ihrem Inneren zu lauschen, irgendeine Art von Botschaft.
» Nichts «, sagte sie schließlich.
» Vielleicht ist das Erdlicht der Schlüssel. Kannst du nicht versuchen, es zu beschwören? «
Im Dunkeln starrte sie ihn an. » Aus der Lumina? «
» Warum nicht? «
» Sie ist kein Baum. «
» Sie ist auch nicht wie irgendeine Pflanze, die wir kennen. Weshalb versuchst du es nicht? «
» Weil es nicht klappen wird. «
» Hast du einen besseren Vorschlag? Sie braucht die Wärme mindestens ebenso sehr wie wir. «
Sie zauderte noch ein paar Herzschläge länger, dann trat sie mit der Lumina an ihm vorbei, tiefer in den Schlund der Mine. Aelvin folgte ihr gespannt. Sie mussten aufpassen, wohin sie ihre Füße setzten, vielleicht gab es Spalten oder unsichtbare Abgründe in der Finsternis des Berges.
Nach wenigen Schritten blieb Libuse abermals stehen. Sie waren jetzt weit genug vom Mineneingang entfernt. Libuses Mantel raschelte, als sie sich auf die Knie sinken ließ. Ihre Hand griff aus der Dunkelheit nach Aelvin und zog ihn zu sich herab. Tastend erkannte er, dass der Schrein jetzt genau zwischen ihnen am Boden stand.
» Konzentriere dich auf sie «, flüsterte Libuse.
Er schluckte. » Warum ich? «
» Denk einfach an Favola. An das, was die Lumina ihr bedeutet hat. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher