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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Donau aufgelesen hatten. Sogar die gebrochenen Knochen seiner linken Hand bereiteten ihm nicht mehr gar solche Schmerzen wie noch vor zwei Wochen. Der Nigromant hatte ihm eine Medizin verabreicht, nicht unähnlich jener, die er von Albertus bekommen hatte.
    Die Schlange aber war noch immer in ihm. Oberon gefiel es, sie ihn dann und wann spüren zu lassen. Und doch schien es, als verringere die Nähe des Nigromanten die Auswirkungen des Fluchs.
    Falls es ein Fluch war – und nicht bloß Einbildung.
    Du weißt es besser. Du hast sie gesehen.
    Gabriel gab sich keinen Illusionen darüber hin, dass Oberon ihn nach seinem Alleingang und Scheitern nur aus einem einzigen Grund am Leben gelassen hatte: Zwar gehorchten die Wolfskrieger dem Nigromanten aufs Wort, aber Oberon musste die Spannung unter den Männern spüren und das verhohlene Missfallen über den neuen Befehlshaber. Gabriel war ihnen stets ein guter Anführer gewesen, einer, der genau wusste, welche Mischung aus Gewalt und Gunstbezeugun g n ötig war, sich die Männer gefügig zu machen. Sie alle waren keine Ritter, und doch genossen sie Privilegien, die ihnen das harte Los gewöhnlicher Waffenknechte ersparten. Ohne Gabriel und das Vertrauen, das der Erzbischof einst in ihn gesetzt hatte, waren sie nichts als Söldner. Besser ausgebildet, reicher entlohnt, und doch zuletzt nur bezahlte Kämpfer, wie es sie in jeder Taverne gab. Gabriel hatte ihnen das Gefühl gegeben, mehr zu sein. Sie waren seine Wölfe, sein Rudel, und es war seine Führung, der sie ihre Erfolge auf früheren Missionen zu verdanken hatten.
    Oberon hingegen war nicht einmal ein Mann des Schwertes. Sie fürchteten und verachteten ihn gleichermaßen, und er wusste, dass dies keine guten Voraussetzungen für eine schlagkräftige Truppe waren. Solange sie jedoch Gabriel an der Seite des Nigromanten sahen, folgten sie Oberons Befehlen: Ordnete sich der Rudelführer einem anderen unter, taten es auch seine Wölfe.
    Gewiss, Gabriel hatte mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, seinen Einfluss auf die Krieger geltend zu machen und Oberon zu töten. Doch er ahnte, dass er damit nur den Mann, nicht aber die Schlange in seinen Eingeweiden loswerden würde. Niemals in seinem Leben hatte Gabriel sich einem anderen Menschen so ausgeliefert gefühlt. Niemals hatte er so sehr gehasst.
    Er selbst hatte die Wolfskrieger ausgebildet, hatte sie zu seinen Vollstreckern, seinen Todesengeln geschmiedet. Und obgleich ihr Sold aus den Schatzkammern des Erzbischofs bezahlt wurde, waren sie doch Gabriels Rudel. Das Fleisch und Blut, das er sich geformt hatte zu seinem Eigen.
    Die Männer mochte Oberon ihm genommen haben. Nicht aber seinen Willen. Nicht seine Selbstachtung.
    In seinem Verlies in Regensburg war er drauf und dran gewesen, sich aufzugeben. Doch seit er das Rudel wieder um sich hatte, gewann er mit jedem Tag an Kraft. Als er hörte , dass seine Wölfe den Kartographen aufgespürt und getötet hatten, hatte ihn das mit Genugtuung erfüllt. Doch wahren Triumph empfand er erst, als sie ihm offenbarten, dass die Spur der Lumina nicht verloren war. Der kleine Mann hatte geredet, bevor sie ihm die Kehle durchschnitten. Die Fährte war so frisch wie eh und je.
    Und beinahe, nur beinahe hätten sie Albertus und die anderen schon viel früher gefangen. An der Moravamündung hatten die Wolfskrieger einen Bauern ausfindig gemacht, der ihnen zwei Maultiere verkauft hatte. Gabriel hatte davon abgeraten, sie weiterhin mit dem Boot zu verfolgen, doch Oberon hatte nicht auf ihn hören wollen. Sicher, auf dem Fluss waren sie schneller als der Haufen Wanderer auf der verschneiten Römerstraße. Aber die Gefahr, sie am Ufer zu übersehen, erst recht bei Nacht, war von Bord eines Bootes aus groß. Oberon hatte das nicht einsehen und die Luminaträger zur Not in Nisch erwarten wollen, falls sie ihnen entwischten. Und, wer weiß, womöglich hätte er Recht behalten – wäre der verdammte Kahn nicht aufgelaufen und leckgeschlagen. Dort hatte ein Räubertrupp das Wrack des vermeintlichen Händlers angegriffen und unglückselige Bekanntschaft mit den Klingen der Wolfskrieger gemacht. Statt zu Fuß weiterzuziehen, wie Gabriel es empfohlen hatte, war Oberon der Ansicht gewesen, sie brauchten Pferde für die Weiterreise – und diese fänden sie am ehesten im Schlupfwinkel der Räuber. Ihr Anführer, ein gewalttätiger, engstirniger Schlächter, war einfältig genug gewesen, mit Oberon zu verhandeln. Offenbar hatte er gehofft, die

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