Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Oberkörper und verknotete den Schrein vor seinem Bauch. Zuletzt zog er den Mantel darüber. Falls irgendwer genauer hinsah, würde er sofort bemerken, dass Aelvin etwas verbarg. Im Halblicht der Morgendämmerung aber, und in diesem düsteren Schuppen, mochte er fürs Erste damit durchkommen.
Im Stalltor erschienen zwei weitere Räuber und riefe n e inem der vier anderen etwas zu. Sogleich ließen alle von ihrer Arbeit mit den Maultieren ab und gingen zum Eingang. Aelvin und Libuse nutzten die Gelegenheit, um sich durch den niedrigen Durchschlupf an der Rückseite des Schuppens davonzustehlen.
Dahinter befand sich ein zweiter Stall mit offener Front zum Vorhof. Hier waren ein paar magere Gäule angebunden, ungepflegt und unterernährt. Niemand sonst hielt sich hier auf, erst in einiger Entfernung bewegten sich ein paar Männer zwischen den Hütten des Hofs.
Aelvin und Libuse huschten an den Pferden vorbei zur anderen Seite des Stalls und blickten vorsichtig ins Freie.
» Wie sollen wir hier jemals wieder rauskommen? «, flüsterte er.
Libuses Miene war verbissen. » Wenn ich vorhin Pfeil und Bogen gehabt hätte, dann wäre mir egal gewesen, was mit mir – «
» Überleg dir lieber, wie wir heil von hier verschwinden können. « Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Zinnen der Ringmauer. Dort oben hatte jetzt ein halbes Dutzend Wolfskrieger Stellung bezogen, verstärkt durch ebenso viele Räuber. In weiten Abständen standen sie auf der Mauer und spähten hinaus ins Tal. Gabriel und der Bärtige mussten wissen, dass ein Angriff auf die Festung bevorstand. Womöglich war ihnen die Gefahr, in der sie schwebten, erst klar geworden, als sie Sichel und seine Männer bereits überrumpelt hatten. Der Gedanke, dass sich die Schergen des Erzbischofs selbst in eine solche Mausefalle manövriert hatten, brachte ein Lächeln auf Aelvins Gesicht.
Libuse blickte verstohlen zum Turm hinauf, aber die Plattform war jetzt wieder leer. Sichels Leichnam drehte sich an seinem Seil im Wind. Die Krähen, die um die Zinnen flatterten, wagten sich zusehends näher an den Toten heran. » Wenn Gabriel wüsste, dass die Lumina hier in der Burg ist … und wi r b eide noch dazu … « Sie schüttelte den Kopf. » Alles, worauf er es abgesehen hat, befindet sich gleich vor seiner Nase – und er hat nicht die geringste Ahnung. «
» Mir wä r ’ s recht, wenn das so bliebe. «
» Meinst du, wir schaffen es bis zum Eingang der Mine? «
Sie sah zu dem rechteckigen Tor im Fels. Schnee war hinein geweht und warf Morgenlicht in den vorderen Teil des Schachts. Dort waren halbherzig ein paar schräge Balken angebracht worden, die niemanden ernsthaft davon abhalten würden, ins Bergesinnere vorzudringen. Dahinter herrschte Finsternis.
» Willst du dich dort verstecken, bis die Männer des Königs die Festung stürmen? « Aelvin war nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Er brannte darauf, zum Fluss zurückzukehren und nach den anderen zu suchen.
» Wir schaffen es hier nicht raus! «, flüsterte Libuse eindringlich. » Sieh dir die Männer da oben an! Sie würden uns sofort bemerken, selbst wenn wir irgendwie durch das Tor kämen. «
Widerstrebend stimmte er zu. Er warf einen nervösen Blick zurück zum Durchgang zur anderen Stallhälfte. Jeden Moment mochte sich einer der übrigen Räuber wundern, wohin sie verschwunden waren.
» Versuchen wir ’ s «, sagte er.
Vor ihnen lag eine offene Fläche, die vom Wehrgang und der Burg aus frei einzusehen war. Aber die Wächter auf den Zinnen der Ringmauer wandten ihnen den Rücken zu. Falls keiner auf die Idee kam, sich zum Hof umzudrehen, konnten die beiden es schaffen.
Libuse trat aus dem Stall und bewegte sich zügig über den verharschten Schnee Richtung Mine. Aelvin folgte ihr und ging leicht vornübergebeugt, damit sein Mantel über die Ausbuchtung des Luminaschreins fiel. Jeder flüchtige Blick in ihre Richtung musste offenbaren, dass sie etwas zu verbergen hatten.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er Bewegungen zwischen den Hütten, wagte aber nicht, hinüberzusehen, weil er fürchtete, allein dadurch die Aufmerksamkeit anderer Räuber auf sich zu ziehen. Er schloss zu Libuse auf und ging neben ihr auf der hofabgewandten Seite, damit sie ihn mit ihrem Körper abschirmte.
Eine Weile lang sah es so aus, als würde ihr Plan gelingen. Niemand vertrat ihnen den Weg.
Noch zwanzig Schritt. Das war nicht viel. Sie konnten es schaffen. Noch fünfzehn Schritt. Zwölf. Zehn.
Eine Stimme schnitt
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