Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Beine zu ziehen, aber sie stolperte nur zwei taumelnde Schritte vorwärts und stürzte erneut. Aelvin beugte sich in einem Anflug von Panik über sie. Nur die Schritte ihrer Verfolger waren zu hören, und bald sah er aus dem Augenwinkel auch wieder den Schein ihrer fernen Fackeln.
» Nimm die Lumina und … lauf «, brachte Libuse kraftlos hervor. » Du musst mich hier lassen. «
» Niemals «
» Weiter … in die Mine … «
» Nein! Wir gehen zusammen. « Wieder zog er an ihr, abe r e benso gut hätte er einen Stein dazu bewegen wollen können, ihm zu folgen. Ein Stück weit würde er sie vielleicht tragen können, aber er machte sich nichts vor: In völliger Finsternis, an einem Ort wie diesem, war alle Hoffnung verloren.
» Sie kommen näher «, stöhnte Libuse. Er nickte stumm, ein hilfloses Eingeständnis seines Versagens. » Ich bleibe bei dir. «
» Die Lumina – «
» Ich lasse dich nicht allein. «
» Hier «, flüsterte sie und schob den Dolch in seine Hand.
Er nahm ihn, überlegte kurz und legte ihn dann lautlos neben sich auf den Felsboden.
Es war vorbei.
Schweigend warteten sie und lauschten, während die Schritte näher kamen. Zuerst holte sie das Licht ein, dann die Wolfsritter. Im Schein ihrer Fackeln sah Aelvin, dass Libuse das Bewusstsein verloren hatte; er dankte Gott dafür, dass er sie nicht mit ansehen ließ, wie ihre Peiniger sie umringten. Ihr Kopf lag in seinen Schoß gebettet. In ihrem eigenen hielt sie die Lumina, mit beiden Händen an sich gepresst, ganz so, wie Favola es immer getan hatte.
Aelvin wehrte sich erst, als sie ihn von Libuse fortrissen. Es gelang ihm, den Dolch zu packen. Die Klinge schrammte über Eisen, schnitt durch Wolfsfell, Wolle und Muskelfleisch. Ein Schrei, dann ein Schlag, der Aelvin fast den Arm brach. Der Dolch klirrte zu Boden.
Ein Krieger pflückte den Luminaschrein aus Libuses Armen und fluchte, weil sie ihre Finger so fest in das Gitter verkrallt hatte.
Eine behandschuhte Faust traf Aelvin in den Magen und nahm ihm den Atem. Jemand riss ihm einen Arm auf den Rücken und zwang ihn, sich trotz der Schmerzen aufzurichten. Dann wurde er vorwärts gestoßen, auf dem Weg, den sie gekommen waren. Ein Krieger warf sich Libuse über di e S chulter und trug sie dem Tageslicht entgegen. Ein anderer hielt die Lumina mit ausgestreckten Armen von sich, so als hätte er Angst, sich daran zu verbrennen.
Gabriel erwartete sie am Eingang der Mine. Er starrte Aelvin an, dann Libuse. Hinter ihnen trat der Träger der Lumina als einer der Letzten aus der Dunkelheit.
Schweigend nahm Gabriel den Schrein entgegen.
*
Wenig später schritt der Wolfsritter auf das Tor des Palas zu. Er hielt die Lumina mit seiner unverletzten Hand in der rechten Armbeuge. Er vermutete, dass Oberon ihn von einem der Fenster aus beobachtete, auch wenn er das Gesicht des Nigromanten nirgends entdecken konnte.
Wer i st jetzt der Stärkere?, hatte der Nigromant ihn vor Wochen gefragt. Jetzt blickte Gabriel auf den Luminaschrein in seinen Händen und stellte sich die Frage erneut. Wer war der Stärkere? Gewiss doch derjenige, der das Paradieskraut dem Erzbischof zu Füßen legte. Die Gelegenheit dazu würde sich kein zweites Mal bieten.
Im Gegensatz zu Oberon, der in den vergangenen Tagen den Bankettsaal der Silberfeste nur zum Schlafen verlassen hatte, hatte Gabriel die Burg gründlich erkundet. Er hatte sich Gänge und Treppenhäuser eingeprägt; niedrige Türen, die ins Nirgendwo zu führen schienen und doch für Überraschungen gut waren; Korridore, die jenseits der Wände hoher Hallen verliefen und die Festung auf geheimen Wegen mit den Minen verbanden.
Gabriel betrat den Palas der Burg. Er wandte sich nicht den Treppen zu, die hinauf zum Bankettsaal führten, sondern nahm eine Abzweigung nach rechts, durch einen schmalen Gang, an dessen Ende die Wärme der Feuer merklich nachließ. Hier befand sich eine selten benutzte Tür, die Gabrie l m it der Schulter aufstoßen musste, so verzogen war das Holz in dem steinernen Rahmen.
Er zwang sich dazu, nicht auf die Regungen der Schlange zu achten. Im Augenblick blieb sie ruhig. Oberon hatte noch keinen Verdacht geschöpft.
Lieber wollte Gabriel draußen in den Wäldern am Schlangengift verrecken, als weiter den Lakaien des Nigromanten zu spielen. Wenn er erst ins Freie gelangt war und die Truppen des Königs angriffen, würde Oberon genug andere Sorgen haben, als sich um den verschwundenen Gabriel zu kümmern – zum Beispiel, wie er dem
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