Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
König klar machen sollte, dass nicht er selbst der gesuchte Räuberhauptmann war. Vorausgesetzt, man ließ ihm überhaupt die Gelegenheit dazu.
    Gabriel würde die Lumina nach Köln bringen, koste es, was es wolle. Der Verlust der Wolfskrieger schmerzte ihn. Sie in der Silberfeste zurückzulassen, unter Oberons unfähiger Führerschaft, bedeutete ihr Todesurteil. Doch ein ganzer Trupp, der versuchte, durch den Ring der Königlichen zu brechen, musste unweigerlich für Aufsehen sorgen. Ein einzelner Mann hingegen konnte vielleicht durch die Lücken schlüpfen ohne aufzufallen.
    Als Gabriel hinausgeeilt war, um die Gefangenen zu inspizieren, hatte er sich seinen Mantel umgeworfen und einen gefütterten Handschuh über seine Rechte gestreift. Die Linke war noch immer dick verbunden und damit einigermaßen vor der Kälte geschützt. Er trug wollene Winterkleidung und leichtes Rüstzeug.
    Seine Flucht war minutiös geplant. Er hatte seit zwei Tagen darauf hingearbeitet. Dass ihm das Schicksal nun sogar die Lumina in die Hände gespielt hatte, grenzte an ein Wunder. War es ein Wink Gottes? Ein Zeichen, dass der Herr selbst in so dunkler Stunde noch immer über ihn wachte? Immerhin erfüllte Gabriel einen Auftrag des Erzbischofs, sein Tun war gut und segensreich.
    Jedes Bollwerk dieser Größe besaß geheime Ausgänge, und die Silberfeste war keine Ausnahme. Er durchschritt mehrere kleine Kammern, durch deren Schießschartenfenster das frühe Morgenlicht in bleichen Fächern fiel. Hinter der letzten Tür lag eine Treppe, die, dort wo die Burg an die Felswand grenzte, geradewegs in den Berg getrieben worden war. Gestern hatte Gabriel hier Fackel und Zündzeug bereitgelegt, und jetzt benutzte er beides. Wenig später huschte er im zuckenden Feuerschein die Stufen hinunter. Den Luminaschrein hatte er sich unter den linken Arm geklemmt. Er brannte darauf, ihn genauer zu untersuchen, doch dafür würde später noch Zeit genug sein. Erst musste er fort von hier.
    Die Treppe endete nach einigen Dutzend Stufen an einer weiteren Tür. Diese war aus gröberem Holz gefertigt als jene im Inneren der Burg. Es gab keine Klinke, nur einen schweren Eichenbalken, der sie bis gestern von innen verriegelt hatte, nun aber nutzlos am Boden lag; es war nicht leicht gewesen, ihn mit nur einer Hand aus der Verankerung zu heben.
    Gabriel ließ die Tür angelehnt, als er hinaus in einen der Minenschächte trat. Er musste jetzt schnellstmöglich zum Ausgang auf der anderen Seite des Berges gelangen. Weder Oberon noch die Räuber schienen vom alten Osttor der Minen zu wissen. In den Gemächern des Räuberhauptmanns war Gabriel während seiner Erkundungsgänge auf Pläne der alten Schachtanlagen gestoßen. Es hatte nicht lange gedauert, bis er fand, was er sich erhofft hatte. Die ersten Silberschürfer hatten den Berg von der anderen Seite aus erschlossen, obwohl es dort hinderliche Wildbäche und bodenlose Spalten gab. Erst spätere Generationen hatten sich entschlossen, Teile des Waldes im Westen zu roden; von dort aus waren sie durch die Felswand ins Erdinnere vorgestoßen. Die alten Schächte im Osten waren seither stillgelegt, das ursprüngliche Tor vergessen.
    Mit hoch erhobener Fackel folgte Gabriel dem Stollen ein Stück bergab, ehe er aus einer Felskammer zu seiner Linken einen Lichtschein fallen sah. Ohne zu zögern eilte er darauf zu und fand alles genau so vor, wie er es am vorigen Abend zurückgelassen hatte.
    Die Kammer war nicht groß, der Beginn eines blinden, ungenutzten Stollens. An einem Stützbalken war ein sandfarbenes Pferd angebunden, daneben lag ein Sattel mit prall gefüllten Taschen. In zwei Halterungen an den Wänden loderten Fackeln, die erst in ein paar Stunden ausbrennen würden. Gabriel hatte dem Tier die Augen verbunden, bevor er es in der Nacht hier herabgeführt hatte. Es war ein alter Gaul, kaum besser genährt als die übrigen Mähren in den Ställen der Räuberburg. Die schlechte Behandlung hatte das Tier genügsam gemacht und ihm jeden eigenen Willen ausgetrieben. Es war so geduldig und fügsam wie ein altes Weib, das im Leben zu viel durchgemacht hatte, um sich noch von irgendetwas in Aufregung versetzen zu lassen.
    Gabriel nahm sich einen Augenblick Zeit, den Luminaschrein genauer zu betrachten. Das engmaschige Gitter war verkratzt und an einigen Stellen eingedrückt, doch der hohle Glaskern darunter schien unbeschädigt. Darin befand sich eine Handbreit Erdreich, festgebacken wie Lehm, aus dem ein blasses Kraut

Weitere Kostenlose Bücher