Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
sie in ihren Mantel gewickelt und mit seinem eigenen zugedeckt, ihren Kopf in seinen Schoß gebettet und ihr rotes Haar gestreichelt, bis sie endlich erwacht war, leichenblass und erschöpft. Sie war noch eine ganze Weile liegen geblieben, hatte still vor sich hin geweint und seine hilflosen Versuche geduldet, sie zu trösten. Er hatte das Gefühl, dass der Grund für ihre Tränen nicht ihre verzweifelte Lage war. Libuse weinte um die Lumina. Und um ihren Vater und Favola und wohl auch um Albertus.
    » Ich konnte es spüren «, sagte sie jetzt, lange nachdem ihre Tränen versiegt waren und sie neben Aelvin kauerte. » Ich weiß jetzt, was Favola gemeint hat. «
    » Dann ist die Lumina wirklich eine Pflanze Gottes? «
    Er hatte erwartet, dass sie widersprechen würde. Aber sie hob nur die Schultern, ganz zaghaft. » Irgendwas ist in ihr. «
    » Hat sie wirklich zu dir gesprochen? «
    » Nicht mit einer Stimme. Eher durch ein … Gefühl. « Sie wandte ihm das Gesicht zu. Ihre Lippen waren farblos und zitterten leicht, als sie sprach. » Glaubst du, es hat etwas zu bedeuten, dass sie sich mir offenbart hat? Ich meine – «
    » Dass Favola tot ist? « Wie leicht es fiel, das Undenkbare auszusprechen. Als täte es ein anderer für ihn. » Dann werden wir sie bald wieder sehen. Wir erfrieren in diesem Loch. «
    Ihre Augen blieben auf ihn gerichtet, und er sah ein Feuer darin, das weit davon entfernt war, zu verlöschen. Er wünscht e s ich, etwas Ähnliches wäre auch in ihm, nur ein Bruchteil ihrer Kraft. Doch er spürte nur Leere in seinem Inneren, nicht einmal Verzweiflung. Nur eine gefährliche Gleichgültigkeit.
    » Wenn es so leicht für die Lumina ist, sich einen neuen Hüter zu suchen, dann ist sie nicht halb so anfällig, wie wir alle geglaubt haben «, überlegte er laut. » Wer weiß, vielleicht hat der Erzbischof ja Recht. Vielleicht ist es egal, wo sie eingepflanzt wird. Soll er sein neues Paradies in Köln erschaffen, von mir aus in seinem Kräutergarten. Ich habe nie verstanden, warum ausgerechnet wir das Recht haben sollten, zu entscheiden, wo der neue Garten Eden entsteht. Falls er überhaupt entsteht. «
    » So einfach ist das nicht. «
    » Erst Favola, dann du «, sagte er unbeirrt. » Vielleicht ist sogar Gabriel der Nächste. Oder dieser Kerl da oben in seinem Turm. «
    » So einfach ist das nicht. Die Lumina wird sterben, wenn sie nicht zu Favola zurückkehrt. Ich bin nicht ihre Hüterin. Ich bin nur für einen Augenblick von ihr berührt worden. Aber Favola … « Sie schüttelte den Kopf. » Favola und die Lumina sind eins. In gewisser Weise. «
    » Ich verstehe das alles nicht. « Er rieb sich mit den Händen durchs Gesicht. » Aber das muss ich ja auch nicht. Ich bin nur hier, weil Favola mich hat sterben sehen. Aber was sind ihre Visionen wert, wenn sie nie eintreten? Ich bin noch am Leben, Gabriel ist noch am Leben – und sie selbst ist wahrscheinlich tot. Es war alles nur ein « – er konnte kaum glauben, dass er das sagte – » ein Irrtum. «
    » Denkst du das wirklich? «
    » Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. « Er schlug die Arme vor den Oberkörper und zog die Knie noch enger an. » Mir ist so kalt, dass ich bald Eiszapfen pisse. «
    Sie zauberte ein Lächeln hervor, das aus einer besseren Stunde zu stammen schien. » Ich hab immer gewusst, dass d u m ich im Wald beobachtest. Und du weißt, dass ich es weiß, oder? «
    Fast war es ihr gelungen, dass er für einen Moment aufhörte, vor Kälte zu zittern. » Tut mir Leid. «
    » Tut es nicht. «
    » Nein. « Er konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. » Aber ich schäme mich dafür. Ein bisschen. «
    » Ich war jedes Mal gespannt, ob du wieder da sein würdest. « Ihre Hand kroch unter dem eng umschlungenen Mantel hervor und berührte seine Wange.
    Jetzt wurde ihm warm. Eine seltsame Art der Wärme, die vielleicht seine Zehen nicht vor dem Erfrieren retten würde, wohl aber sein Gemüt. » Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. «
    War es ein Verrat an Favola, so etwas zu sagen?
    Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann, eine Spur sicherer, als er den Kopf nicht zurückzog, einen zweiten auf die Lippen. Ihr Mund war so kalt wie der seine, doch das war nur äußerlich. Aelvin errötete, irgendwo unter der blutleeren, durchgefrorenen Haut. Sein Herzschlag pochte in seinen Schläfen.
    Sie zog sich zurück, nur ein Stück. Ihm aber kam es vor wie das andere Ende der Welt.
    Ihre

Weitere Kostenlose Bücher