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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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herüber.
    Der Riegel an der Außenseite glitt zurück.
    Aelvin stieß ein Keuchen aus und rannte los, quer durch den Raum, vorbei an den leeren Betten, zurück zu seinem eigenen, das ihn mit verdrehter Decke erwartete und auf einmal so fern schien wie die Heiligen Stätten zu Beginn einer Pilgerfahrt.
    Er schaffte die Hälfte der Strecke, ehe in seinem Rücken die Tür aufschwang.
    Jemand betrat das Infirmarium.
    *
    Im Nachhinein dachte er, dass er hätte gewarnt sein müssen.
    Er hätte die Schritte hören müssen, und zwar schon eine ganze Weile zuvor. Klappernde Füße auf dem Gang. Dann das allererste Knirschen des Riegels, das Rucke l n des rostigen Eisens in seiner Verankerung.
    All das hätte er bemerken müssen, denn wenn auch der Herr ihn nicht mit großem Glauben gesegnet hatte, so doch mit einem guten Gehör. Nachts hörte er die Tauben unter den Dächern der Klosterbauten rascheln, belauschte die Holzwürmer bei ihrem knisternden Mahl, horchte auf die Schreie der Eulen in den Wäldern.
    Doch in dieser Stunde hatte ihn sein Gehör verlassen. Ob es an der Nähe des Mädchens lag; an ihrem seltsam erregten und doch so tiefen Schlaf; an dem Gefühl ihrer Haut unter seinen Fingern, das einfach nicht weichen wollte, auch Minuten danach; oder aber schlichtweg an seiner eigenen Zerfahrenheit angesichts so neuer, wundersamer Eindrücke – er wusste es nicht.
    Fest stand, es war zu spät.
    Er war entdeckt.
    » Aelvin! «
    Immer noch mehrere Schritte von seinem Lager entfernt blieb er stehen, schloss mit einem Seufzen die Augen und drehte sich um. Dann erst fiel ihm auf, dass es nicht die Stimme des Abts gewesen war. Und ganz gewiss nicht jene des Magisters.
    Er riss die Augen auf. » Odo! «
    Sein Freund drückte behutsam die Tür des Infirmariums hinter sich ins Schloss. In der linken Hand hielt er zwei Brotfladen; einer war angebissen.
    » Was dachtest denn du, wer … « Er brach ab, denn im selben Moment fiel sein Blick auf das schlafende Mädchen. Vor Schreck ließ er die beiden Fladen fallen und schlug rasch ein Kreuz.
    » Himmel! «, entfuhr es ihm leise.
    » Was tust du denn hier? « Aelvin ging zögernd auf ihn zu, so als könnte jeden Augenblick noch jemand zur Tür hereinkommen. Jeder andere Mönch, sogar der gutmütige Bruder Marius, würde Aelvins Betrug unverzüglich dem Abt melden.
    » Küche «, stotterte Odo und konnte seinen Blick nicht von dem Mädchen nehmen. » Brot. Dachte, du … hast Hunger … «
    Aelvin hob die beiden Fladen auf und biss herzhaft in jenen, den Odo unversehrt gelassen hatte. Schon am Mittag war der Geruch von frisch gebackenem Brot durch die Räume des Klosters geweht. Aelvin hätte sich denken können, dass Odo dem nicht widerstehen konnte.
    » Wer ist sie? «, flüsterte Odo.
    Aelvin ließ ihn schmoren, bis er den Bissen hinuntergeschluckt hatte. Dann zog er ihn in den hinteren Teil des Raumes und berichtete ihm flüsternd und mit knappen Worten, was sich im Infirmarium zugetragen hatte. Beim Namen Albertus Magnus wich alle Farbe aus Odos Gesicht. Der Magister des Dominikanerkonvents zu Köln, ehrwürdiger Provinzialprior , Verteidiger der Bettelorden zu Anagui und sogar Schlichter von Kriegen war ein Mann, über den es viele Erzählungen gab, und sein Besuch in der abgelegenen Abtei der Zisterzienser war gewiss etwas, von dem man noch lange sprechen würde.
    Noch bemerkenswerter aber war zweifellos seine Begleiterin. Dabei spielte es nur eine untergeordnete Rolle, wer sie war und woher sie kam. Ein Fußmarsch durch die verschneite Eifel an der Seite des großen Albertus reichte aus, um sie zu etwas höchst Außergewöhnlichem zu machen.
    Und dann war da noch die nicht ganz unbedeutende Tatsache, dass es sich bei ihr um ein hübsches junges Mädchen handelte.
    » Und du hast sie wirklich … ich meine, hast du sie berührt? «, fragte Odo, der sichtlich zerrissen war zwischen Neid und Ehrfurcht.
    » Ich habe ihre Lippen verarztet, das ist etwas anderes. «
    Odo runzelte die Stirn. » So? «
    » Das war nur zu ihrem Besten «, verteidigte sich Aelvin.
    » Und zu deinem. «
    » Wie meinst du das? «
    » Du weißt genau, was ich meine. « Odo ließ sich mit einem Seufzen auf Aelvins Bettkante nieder und biss lustlos in sein Brot. Der Appetit war ihm sichtlich vergangen. Aelvin hatte ihn noch nie so mürrisch essen sehen.
    » Wir müssen herausfinden, wer sie ist «, sagte Aelvin entschieden.
    » Na, wunderbar! Und wie willst du das anstellen? Den Abt fragen? «
    » So

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