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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ähnlich. « Aelvin war bereits dabei, seine Kutte über das Nachtgewand zu ziehen. Er schlüpfte in sein grobes Schuhwerk und biss ein letztes Mal in den Brotfladen, schob den Rest unter seine Bettdecke und klopfte sich ein paar Krümel von der Brust.
    » Das willst du nicht wirklich tun, oder? «, fragte Odo verzweifelt.
    Aber Aelvin huschte schon zur Tür, warf noch einmal einen Blick zum Lager des Mädchens, von dem er hoffte, dass er nicht allzu sehnsüchtig wirkte, und drückte die schwere Klinke hinunter.
    » Irrsinn! «, jammerte Odo.
    Der Gang war düster und eiskalt. Der Winter drang durch alle Fugen und Balkenritzen, pfiff schneidend durch die Kammern und ließ das Weihwasser in den Becken an den Eingangstüren gefrieren. Nach der Wärme im Krankenquartier war die Kälte hier draußen kaum zu ertragen. Aelvin begann sogleich zu schlottern, und einen Augenblick lang war er versucht, Odos Zweifeln nachzugeben und zurück ins Infirmarium zu schlüpfen.
    Dann aber gab er sich einen Ruck, legte von außen den Riegel vor und lief los. Odo folgte ihm widerstrebend, hörte aber bald auf, sich zu beschweren, wohl weil er Angst hatte, jemand könne dadurch erst recht auf sie aufmerksam werden.
    Der kerzenbeschienene Gang endete an einer Tür zum Hof. Die Abtei bestand aus vier großen und einer Reihe kleinerer Gebäude, zu denen auch das Krankenquartier gehörte. Gleich nebenan befanden sich die Novizenschule, das Novizenbad und die Aborte für alle Brüder. Der Abt wohnte in einem eigenen Haus auf der anderen Seite des Hofs. Dorthin, so vermutete Aelvin, hatten sich die beiden Männer zurückgezogen. Albertus war sicherlich müde gewesen, aber gewiss nicht zu erschöpft, um seinem Gastgeber Bericht zu erstatten.
    Der Klosterhof lag unter einer Schneedecke, die sich in der Nacht in vagem, formlosem Grau darbot. Der Himmel war wolkenverhangen, Sterne und Mond blieben unsichtbar. Es war stockdunkel, und ihre Augen mussten sich nach dem matten Kerzenschein im Gang erst an die Schwärze gewöhnen. Nocturnes, der Mitternachtsgottesdienst, und Laudes, eine kürzere, gleich darauf folgende Messe, waren bereits beendet; die Mönche durften danach noch einmal in ihre Betten im Dormitorium zurückkehren. Dies war für gewöhnlich die Stunde, in der Odo seine Beutezüge in die klösterliche Küche unternahm.
    Fackeln brannten keine auf dem nächtlichen Hof, jeder erneute Schneefall hätte sie ohnehin bald gelöscht. Die Gefahr, um diese Nachtzeit und bei solchem Wetter entdeckt zu werden, war gering. Ein Hoffnungsschimmer, immerhin.
    Aelvin und Odo liefen über den hufeisenförmigen Platz zur Kirche. Als sie um die letzte Ecke bogen, erkannten sie, dass hinter dem trüben Fenster des Abthauses Feuerschein flackerte.
    » Mir ist kalt «, flüsterte Odo mürrisch.
    » Auf dem Dachboden des Abtes wird dir wärmer werden «, sagte Aelvin.
    » Weil dort die Flammen der Hölle nach mir greifen. «
    » Du bist aber auch nie zufrieden. «
    » Ich war es, mit meinen Brotfladen in der Hand, bis ich auf die unheilige Idee gekommen bin, dich im Infirmarium zu besuchen und dir etwas abzugeben. «
    Aelvin schenkte ihm ein Grinsen, ehe ihm einfiel, dass Odo es in dieser Finsternis vermutlich gar nicht sehen konnte. Auch das Gesicht seines Freundes war nur ein nebelhafter Fleck inmitten der Schwärze.
    Sie tasteten sich das letzte Stück durch die Nacht, bis zu den Stallungen, an die das Haus des Abtes grenzte. Im Gegensatz zu den Viehställen, die alle außerhalb der Klostermauer lagen, war dies der Unterstand für die Pferde der seltenen Reisenden, die dann und wann durch diese einsame Gegend kamen; das Gästehaus befand sich gleich nebenan.
    Die Mönche des Klosters hatten schon vor langer Zeit herausgefunden, dass man durch ein loses Brett im oberen Tei l d es Stalls den Dachboden des Abthauses betreten konnte. Abt Michael hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Gäste des Klosters in seinen eigenen Räumen zu bewirten. So erfuhr er das Neuste aus der Welt jenseits der Wälder, ohne dass derartige Nachrichten von Krieg und weltlichem Gräuel sogleich an die Ohren aller Brüder drangen und womöglich für Aufregung sorgten. Da aber die Mönche nicht weniger Interesse am Geschehen dort draußen aufbrachten als der Abt, hatten einige von ihnen diesen Zugang zum Dach ausgekundschaftet. Von hier aus konnte man die Gespräche im Haus des Abtes belauschen und die Neuigkeiten später unter den Brüdern verbreiten.
    Die Tür des Stalles knarrte, als

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