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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich rückwärts durchs Unterholz. Überall um sie herum brachen Zweige, fegten Dämonen durch die schwarzgrünen Schatten.
    Eine menschliche Stimme ertönte.
    » Ihr da! «, brüllte jemand auf Arabisch. » Hört auf damit! «
    Ein Koloss von einem Mann trat auf den Platz vor dem Gitter, kam von irgendwo aus dem Strauchwerk. Er war gewaltig, ein Gigant aus Muskeln, mit einer engen Lederkapuze, die auch seine mächtigen Schultern bedeckte. Darunter trug er grobe Kleidung und Stiefel bis über die Knie. Auf seine Stimme reagierten die Kreaturen eingeschüchtert wie klein e K inder. Sogleich ließen sie von dem Gitter ab, huschten zurück und sprangen mit schlenkernden Armen um ihn herum. Jetzt erinnerten sie weniger an Teufel als vielmehr an Hunde, die begierig auf eine Belohnung durch ihren Meister warteten.
    Sinaida warf sich herum und lief los. Das Rascheln und Knacken, das sie in den Büschen verursachte, ging im Lärmen der Wesen unter. Ganz unvermittelt kamen sie über sie, von allen Seiten zugleich und so schnell, dass selbst die Instinkte einer Nizari nicht ausreichten, sie früh genug wahrzunehmen. Sie sah ihr Schwert durch die Dunkelheit zucken, als hätte ein anderer es geführt, purer Reflex, kein geplanter Schlag. Die Klinge traf etwas und wurde grob aus Sinaidas Hand gerissen. Etwas landete von hinten auf ihren Schultern, mit brutaler Wucht und dem Gewicht eines ausgewachsenen Mannes. Mit einem Aufschrei fiel sie nach vorn, wurde von Buschwerk gebremst und prallte mit Brust und Gesicht auf den Boden. Riesige, vielgliedrige Hände hielten sich an ihr fest, zerrten an ihr, zerfetzten ihre Kleidung. Etwas trampelte auf ihrem Rücken, traf ihren Hinterkopf, raubte ihr fast das Bewusstsein. Überall Kreischen, überall Bewegung.
    Schmerz explodierte in ihrem Kreuz, ihrem Nacken, in ihrem Kopf. Der Helm war gleich beim ersten Angriff der Wesen herabgerutscht, und jetzt zogen sie an ihren Haaren, kniffen mit riesigen Fingern in ihr Fleisch, traten und schlugen sie.
    Nach einer Ewigkeit der Pein ertönte abermals die Stimme des Mannes. Die Krallen und Hände zogen sich zurück, und aus dem zornigen Brüllen wurde wieder bettelndes Geschnatter.
    Belohnung, irrlichterte es durch Sinaidas halb betäubten Verstand. Sie wollen ihre Belohnung.
    Noch eine Stimme. Jünger. Männlich. Fragend.
    Dann wieder die erste:
    » … das soll der Wesir entscheiden. «
    AELVINS CODEX (1)
    I ch so l ls aufschreiben hat sie gesagt daz andere lesen können was uns widerfahren in jenen tagen der j a hre 1257 und 1258 unseres herrn jesus christus und seinem vater dem allmaechtigen. ich tus weil ichs versprochen hab und denk auch daz sie Recht hat. sie daz ist Libuse und ich beginn diez während sie ganz in der naehe izt und ich sehen kann wie sie schlafet.
     
    D er König hat mir diesen gebundenen Codex geschenkt. Er ist nicht viel größer als meine Hand, aber mit Seiten aus feinstem Papier. Er ist eine kleine Kostbarkeit, ganz ohne Zweifel, und ich werde ihn in Ehren halten und mit meinem Leben verteidigen, ganz gleich, was noch kommen mag und wie unsere Reise ausgeht. Zudem vermute ich, dass hier die eine oder andere Sache Erwähnung finden wird, die nicht für fremde Augen oder Ohren bestimmt ist. Ich habe ein Gebet über den ledernen Einband des Codex gesprochen und den Herrn gebeten, dass er mir dies Büchlein bewahren helfe. Und falls es den Herrn nicht gibt oder er mir nicht zuhört, so will ich einfach hoffen, dass uns nach all den Unglücken auf unserer Reise diesmal das Schicksal hold ist und keiner, den es nichts angeht, diese Schrift in die Finger bekommt. Falls Ihr, kluger Leser, ein solcher seid, so mögen Euch die Hände abfallen und die Augen verfaulen. Wenn Ihr aber meint, dies se i f ür Euch geschrieben und Ihr hättet eine Berechtigung, es zu studieren, dann lest mit meinem Segen noch ein wenig weiter. Seid ihr aber unsicher, dann schließt das Buch auf der Stelle, denn sonst fallen Euch die Hände ab und Eure Augen verfaulen. Gewiss versteht Ihr, was ich meine.
    *
    Auch die anderen haben Geschenke bekommen: Favola erhielt neue Handschuhe, dünner als die abgegriffenen alten; Libuse ein schärferes Schwert, von dem sie widerwillig zugeben musste, dass es leichter und besser in der Hand liegt als ihr altes; Corax einen Helm aus Leder, mit einem Schutz für die obere Gesichtshälfte, damit er seine Wunden verdecken kann und nicht jedermann von weitem erkennt, wie es um seine Augen bestellt ist (er hat den Helm

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