Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
finster entgegengenommen und kaum ein Wort des Dankes verloren, aber, wer weiß, er mag ihm noch gute Dienste leisten); Albertus erhielt eine Brosche in Form eines königlichen Siegels, die ihn und uns als Freunde des serbischen Herrscherhauses ausweist, was immer das auch in den Ländern, die noch vor uns liegen, wert sein mag. Die meisten dieser Gegenstände, auch mein Codex, nicht aber das Medaillon, stammen aus dem Raubgut der Wegelagerer, aber mir scheint, wir wurden mit des Königs Wort die neuen rechtmäßigen Besitzer. Und falls irgendwer dies Büchlein vermissen oder wiedererkennen sollte, so seid versichert, dass es dem bestmöglichen Zweck zugeführt wurde. Habt Dank, gehabt Euch wohl. Und haltet Eure Finger im Zaum.
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Wir wollten so schnell als möglich aufbrechen, aber Corax bestand darauf, Zeuge von Gabriels Bestrafung zu sein. Noch immer wollte er ihn lieber tot wissen – ich auch, das muss ic h g estehen –, aber der König ging nicht ab von seinem Urteil, das da lautete, Gabriel von Goldau solle geblendet werden, mit heißer Klinge, so wie er es dem armen Corax angetan hatte.
Am zweiten Morgen nach dem Fall der Silberfeste wurde das Urteil auf dem Platz vor dem Tor vollstreckt, während im Hintergrund die Wächter vor dem Leichenberg sogar am helllichten Tage Mühe hatten, die Tiere des Waldes von den Kadavern der Räuber und Wolfskrieger fern zu halten. Erst gegen Mittag sollten sie endlich verbrannt werden, denn der König gedachte, zu jener Stunde gemeinsam mit uns aufzubrechen. Womöglich glaubte er, den Männern, die er zur Bewachung der Feste zurückließ, mache der Gestank des brennenden Fleisches nicht gar so viel aus wie ihm.
Gabriels Blendung wurde rasch und ohne große Umstände durchgeführt. Keine Trompeten ertönten, niemand hielt dem Verurteilten eine Rede, die ihn an seine Missetaten erinnern sollte. Mir war, als hätte Corax die glühende Klinge am liebsten selbst geführt, doch er musste sich damit zufrieden geben, dass einer der Lakaien des Königs – kein Ritter, ein einfacher Knecht – dies tat. Gabriel schrie und tobte, während man ihn auf den Richtplatz zerrte, doch dann hielt er in seinem Widerstand inne, fiel dort auf die Knie, wo man es von ihm verlangte und gab keinen Laut, nicht einen Laut von sich, als das heiße Eisen gegen seine Augen gedrückt wurde. Er verlor auch nicht das Bewusstsein. Stattdessen kniete er noch immer unverändert da, als die Klinge wieder zurückgezogen wurde. Uns allen wurde schlecht, als wir die frischen, rauchenden Wunden sahen, sogar Libuse, die in diesen Dingen für gewöhnlich den stärksten Magen bewies. (Erst später wurde mir klar, dass dies Bild ihr die Blendung ihres Vaters ins Gedächtnis gerufen haben muss und sie den besten aller Gründe gehabt hätte, sich als Erste abzuwenden.) Favola musste sich übergeben, und als ich sie dabei in den Arm nahm, erging e s m ir nicht besser. Beide spieen wir unser Essen in den Schmutz, husteten und keuchten, und so entging uns, wie Gabriel fortgebracht wurde – er sollte nach der Versorgung seiner Brandwunden auf freien Fuß gesetzt werden, am nächsten Tag oder dem darauf, was in gewisser Weise einem hinausgezögerten Todesurteil gleichkam, denn ohne Führer würde er in den Wäldern nicht weit kommen, ehe ihn die Wolfsrudel fanden. Doch das war, ganz ehrlich gesagt, nicht meine Sorge. Ich gönnte ihm jede Todesart, die man sich ausmalen kann, und wenn es wilde Tiere waren, die ihn zerrissen, so hatte er sich auch dies mit Leib und Seele verdient.
Favola hingegen ließ sich nicht von ihrer Überzeugung abbringen, dass dies keineswegs das Letzte war, was wir von Gabriel gesehen hatten. Die Todsicht hatte ihr ein anderes Ende für ihn offenbart, und sie glaubte fest daran. » Ich bin es, die ihn töten wird «, flüsterte sie mir zu, während Gabriel fortgeschafft wurde und wir beide bleich beieinander hockten. » Ich weiß es. Ich habe es gesehen. «
Albertus gab uns einen Wurzelsud aus seiner Kräutersammlung, die er mithilfe des königlichen Leibarztes neu aufgefüllt hatte, und das dämpfte die Übelkeit vorübergehend. Doch jedes Mal, wenn ich an das Zischen des Eisens und das Dampfen des kochenden Fleisches zurückdachte, überkamen mich Ekel und – Gott weiß, warum – Schuldgefühle. Sogar jetzt, da ich diese Zeilen niederschreibe, kann ich es wieder spüren, und es wird wohl niemals gänzlich weichen.
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Wir verließen die Silberfeste wie geplant am Mittag. Bis zum Ufer der
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