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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Morava ritten wir im zweihundertköpfigen Pulk der Königlichen, dann verabschiedeten wir uns. König Stefan wollte mit seinen Gefolgsleuten nach Norden reiten, während wir und der Schutztrupp, den er für uns abgestellt hatte, nac h S üden zogen. Jeder von uns besaß jetzt ein eigenes Pferd. Sogar Albertus hatte widerstandslos im Sattel eines prachtvollen Schimmels Platz genommen. Das eherne Gesetz der Dominikaner, niemals etwas anderes als die eigenen Füße zur Fortbewegung zu benutzen, schien ihm inzwischen gänzlich entfallen zu sein. Da ich fürchtete, er könnte es sich womöglich noch anders überlegen, sprach ich ihn nicht darauf an. Wohl wunderte mich nicht wenig, dass einer, der angeblich seit Jahrzehnten jeden Weg auf Schusters Rappen bestritt, so sicher im Sattel saß.
    Ich selbst war das eine oder andere Mal auf den Gäulen des Klosters geritten, hatte aber, vor allem zu Beginn, arge Mühe, nicht vom Rücken meines Rosses zu fallen. Auch Libuse fehlte die Erfahrung mit Pferden – sie und ihr Vater hatten keines besessen –, sodass sie lieber hinter Corax Platz nahm, als auf einem eigenen Tier zu reiten. Die größte Überraschung aber war Favola, denn sie schwang sich so geschickt in den Sattel, dass wir alle kaum glauben konnten, was wir da sahen. Sie lächelte verlegen und sagte, es sei zwar eine Weile her, aber zu Hause, vor ihrem Eintritt ins Kloster, sei sie oft geritten und habe täglich die Pferde im Stall ihrer Eltern versorgt. Sie schloss sogleich gute Freundschaft mit ihrem Reittier und wurde manchmal so übermütig, dass sie nur noch wenig mit ihrem alten, kränklichen Ich gemein zu haben schien.
    Die sechs Männer, die uns begleiteten, waren gestandene Ritter des Königs, starke, kampferprobte Recken, und zum ersten Mal seit Verlassen meines Klosters verspürte ich ein Gefühl der Sicherheit. Alles in allem erging es mir recht gut während unserer Weiterreise, jedenfalls nach außen hin, und mit den Tagen wuchs auch mein Vertrauen in mein Ross. Im Inneren aber drohten mich meine Gefühle zu zerreißen, und an manchen Tagen konnte ich es nicht über mich bringen, auch nur ein Wort mit Favola oder Libuse zu wechseln.
    *
    Unsere erste wichtige Station war Nisch, dann folgte Sofia. Dort verließen uns des Königs Ritter unter vielen guten Wünschen. Nun waren wir wieder auf uns allein gestellt. Aber wir behielten unsere Pferde, was das Reisen beträchtlich erleichterte, und hatten darüber hinaus die Gewissheit, dass uns keine Wolfskrieger und wohl auch keine anderen Bluthunde des Erzbischofs mehr auf den Fersen waren. Doch so ganz vermochte das keinem von uns die Unruhe zu nehmen.
    Ich erinnere mich gut an jenen Abend in einem Gasthof, kurz vor Konstantinopel, als Albertus uns offenbarte, dass das zweite Fragment der Karte des Jüngers noch ein ganzes Stück weiter nach Osten und dann nach Süden reichte. Als wir verlangten, er möge nun endlich die ganze Wahrheit offenbaren, sprach er einen Namen aus, den ich erst wenige Male gehört hatte und der so fremdländisch und sagenumwoben klang, dass ich bis dahin nicht hätte beschwören mögen, dass er überhaupt einen wahrhaftigen Ort bezeichnete.
    Bagdad. Die Stadt der Kalifen. Das also war unser Ziel. Dort, so hatte Saphilius bei seinen Nachforschungen herausgefunden, sollte der dritte und letzte Teil der Karte des Jüngers aufbewahrt sein. Jener Teil, der uns zum Ausgangspunkt seiner heiligen Reise führen würde. Und zum Ende unserer eigenen.
    Es gab einen langen und lauten Disput darüber, wie verlässlich eine solche Angabe sein könne. Tatsächlich war dies der erste Streit, bei dem Albertus nicht nur Libuse und mich, sondern auch Corax und sogar Favola gegen sich hatte. Wir gaben zu bedenken, dass Saphilius Regensburg vermutlich niemals verlassen hatte und all seine Angaben lediglich auf der Auslegung irgendwelcher Schriften und, schlimmer noch, auf vagen Vermutungen gründen mochten; dass es schlicht und einfach Wahnsinn sei, nur aufgrund einer solchen Be hauptung eine Reise wie diese bis ins Morgenland und womöglich darüber hinaus fortzuführen; und dass wir, selbst wenn wir heil bis Bagdad gelangten, keinerlei Faustpfand besäßen, gegen das wir die Karte eintauschen konnten. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir nicht wussten, wo in der Stadt das wertvolle Stück zu finden sei. Dagegen zumindest führte Albertus an, dass solch eine Kostbarkeit nur in der größten Schatzkammer allen morgenländischen Wissens lagern könne, in

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