Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
wollte lieber auf Verhandlungen setzen und konnte nicht glauben, dass ein Ungläubiger es wagen würde, den Kalifen von Bagdad zu töten, aber schließlich gab er nach. Falls es mir gelänge, das Unmögliche möglich zu machen, versprach er gar, mich zum obersten Befehlshaber seiner Armee zu machen. Ich sagte, dass ich keinen Lohn erwartete, denn mein einziges Glück sei sein Überleben. In Wahrheit aber dachte ich die ganze Zeit über nur an Nive, die daheim in Bagdad auf meine Rü ckk ehr wartete und deren Leben verwirkt war, falls der Kalif in meiner Obhut ermordet würde. Auch wenn ich selbst bei diesem Kampf ums Leben käme, hätte man Nive als Weib jenes Schwächlings, der den Tod des Herrschers zu verantworten hatte, vom Hof verstoßen. Und wie lange hätte sie wohl hochschwanger in den Gassen Bagdads überlebt?
Für sie und für unser ungeborenes Kind gelang mir schließlich, was ich dem Kalifen versprochen hatte. Wir töteten viele Feinde bei ihrem ersten Ansturm, und noch einmal genauso viele beim zweiten. Dann schließlich wagten wir einen Ausfall, und am Ende des Tages waren die Berghänge rot vom Blut unserer Gegner. Keiner von ihnen überlebte, und ihren Anführer erschlug ich selbst vor den Augen des Kalifen.
Abermals gelobte er, mich gleich nach unserer Rückkehr nach Bagdad zum Oberbefehlshaber all seiner Heere zu machen. Freilich tat er dies nicht nur, um sein Wort zu halten, das er mir in der Stunde der Verzweiflung vielleicht vorschnell gegeben hatte. Tatsächlich fürchtete er seit langem, dass die Kreuzfahrer auch bis zu seinen Mauern vorrücken und die Stadt belagern könnten. Wenn er aber einen Heerführer hätte, der die Strategien seiner Gegner kannte, weil er einst selbs t z u ihnen gehört hatte, mochte das die Stadt vielleicht irgendwann einmal retten – und damit sein ganzes Reich. In seinen Augen war das ein kluger Schachzug, aber mir war unwohl dabei, denn der Oberbefehl über das Heer hatte bislang allein dem Wesir oblegen.
Erschöpft, aber stolz, weil wir uns so tapfer geschlagen hatten, kehrten wir nach Bagdad zurück. Dort eilte ich sogleich zu Nive, während der Kalif die Zeremonie für meine Ernennung vorbereiten ließ. Doch statt sich über meine Rückkehr zu freuen, brach Nive in Tränen aus, schalt sich selbst eine Unwürdige und rief, sie sei es nicht wert, jemals wieder unter meine Augen zu treten. Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber sie war außer sich, stieß mich von sich und schloss sich in ihre Kammer ein.
Ich kann nicht beschreiben, was ich in jenen Augenblicken dachte, wie ich mich fühlte. Ich verstand nicht, was passiert war. Ich bat, sie solle herauskommen und mit mir reden, doch sie weigerte sich. Gewiss, ich hätte die Tür aufbrechen können, aber ich wollte doch keine Gewalt anwenden, um sie wieder in meine Arme nehmen zu können! Und dann, endlich, mit der Tür zwischen uns und ohne dass sie mir in die Augen sehen musste, erzählte sie, was geschehen war. «
Corax trank erneut, in tiefen, gierigen Zügen, aber sein Blick war nicht ins Innere des Bechers gerichtet, sondern über den Rand hinweg ins Leere. Libuse liefen Tränen über die Wangen, aber weil sie selbst sie nicht fortwischte, wagte auch Aelvin nicht, es zu tun. Libuse fürchtete sich davor, den Ausgang der Geschichte – ihrer Geschichte – zu hören.
» Während meine Männer und ich in den Bergen um unser Leben kämpften, war der Wesir zu Nive gekommen. Er sagte zu ihr, er begehre sie, seit er sie zum ersten Mal gesehen habe, damals bei dem Wettkampf, als ich um einen Posten in seiner Garde gekämpft hatte. Der Hund behauptete, er habe mich nur deshalb aufgenommen und vor allen anderen bevorzugt , weil er sich gewünscht habe, dass sie in seiner Nähe sei. Und ich hatte nichts von alldem geahnt! Ich wusste nicht einmal, dass er überhaupt je einen Blick auf sie geworfen hatte! « Corax ’ Finger ballten sich auf dem Tisch zur Faust, und Libuse legte beruhigend beide Hände darum. » Er fragte, ob Nive wirklich mein Weib sei, und obwohl sie beteuerte, dass wir seit Jahren vermählt seien, bezichtigte er sie der Lüge. Ob es denn Beweise dafür gebe, fragte er sie. Und sicher wisse sie doch, was geschähe, wenn bekannt würde, dass am Hofe des Kalifen zwei Ungläubige miteinander buhlten, ohne vor Allah Mann und Frau zu sein. Sogar ein Kind wüchse da in ihrem Bauch heran, als Beweis unserer Schuld! Nive, meine arme, gepeinigte Nive, wurde schwach und gestand ihm alles, und sie bat ihn
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