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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Christen ermordet, der ihnen unter die Klingen geriet, und nicht wenige Moslems, nur aus Freude am Töten. Die letzten Überlebenden der christlichen Gemeinde flohen in die Kirche vom Heiligen Grab, Frauen, Kinder und Alte. Doch die Eroberer kümmerte die Würde dieses Ortes nicht. Sie brachen durch das Portal und schnitten jedem, den sie fanden, die Kehle durch. Sie beschmierten die Heiligenbilder mit dem Blut der Christen, sie pissten auf die Reliquien und vergewaltigten die Frauen auf den Stufen der Altäre, die lebenden genauso wie die toten. «
    Wieder verstummte Corax, und diesmal dauerte es noch länger, ehe er endlich fortfuhr. » Libuse, ich habe dir immer erzählt, ich hätte meine Ritterwürde abgelegt, als ich nach Köln zurückkehrte, doch das war eine Lüge. Die Wahrheit ist, ich tat es dort, auf dem Rückzug vom Schlachtfeld. Ich spie dem Grafen von Jaffa ins Gesicht und warf ihm mein Schwert zu Füßen. Er hatte Tausende in den Tod getrieben, weil er nicht auf jene hören wollte, die es besser wussten als er. Ich schwor, fortan keinem Herrn mehr zu dienen, und ich ritt davon. «
    Alle ahnten, dass nun jener Teil der Geschichte folgen würde, in dem von Libuses Geburt die Rede sein würde. Und vom Tod ihrer Mutter. Aber Aelvin brannte noch eine andere Frage auf den Lippen, und nach kurzem Abwägen stellte er sie:
    » Hattest du Angst, Corax? « Alle Blicke richteten sich auf ihn, und schon bereute er, seine Gedanken laut ausgesprochen zu haben: » Ich meine … bist du deshalb fortgegangen? «
    Die starken Finger des Ritters schlossen sich noch fester um seinen Becher, sodass Aelvin fürchtete, der Ton würde bersten. » Ob ich geflohen bin und meine Kameraden im Stich ließ, willst du wissen? «
    » So hab ich das nicht – «
    » Du hast Recht «, sagte er mit regloser Miene. » Damals habe ich mir selbst etwas vorgemacht. Ich redete mir ein, dass ich fortging, weil ich die Dummheit und Willkür der Befehlshaber nicht mehr ertrug. Aber in Wahrheit … ja, ich bin davongelaufen. « Er machte eine kurze Pause und sagte dann:
    » Keiner der anderen hat überlebt. «
    Aus diesem Grund also hatte er all die Jahre über geschwiegen. Er sah sich selbst als Feigling, als einen Mann, der seine Gefährten ihrem Schicksal und den Klingen der Feinde überlassen hatte.
    Libuse kam ihm zu Hilfe. » Das ist keine Schande. Jeder von uns hätte das Gleiche getan. «
    Aelvin dachte an zehntausend säbelschwingende Türken in den Straßen Jerusalems und kam nicht umhin, ihr zuzustimmen.
    » Ich weiß nicht, ob es den anderen gegenüber ein Verrat war «, sagte Corax. » Aber mich selbst habe ich gleich zwei Mal verraten. Einmal, als ich mir einredete, ich ginge nur fort, um keinem anderen mehr zu folgen. Und zum zweiten Mal, als ich nur wenige Wochen später genau dies erneut tat – mich in die Dienste eines Herrn zu stellen. «
    » In Bagdad «, murmelte Albertus und drehte dabei nachdenklich seinen Becher in den Händen.
    Corax nickte, während seine blinden Augen noch immer auf Aelvin gerichtet waren. » Von Jerusalem aus konnte ich nicht nach Norden gehen, denn von dort aus rückte die Streitmacht der Türken an. Zurück nach Köln wollte ich nicht. Ich mochte das Heilige Land und seine Menschen, so merkwürdig das klingen mag. Ich mochte die Märkte und das wild e T reiben, ich mochte die Geschichten und Legenden und sogar die Religion. «
    Aelvin beobachtete Albertus ’ Reaktion auf diese Worte, doch der Magister gab durch keine Regung zu verstehen, was er dachte.
    » Ich ritt hinaus in die Wüste, von einer Karawanserei zur nächsten, und es war in einer dieser Oasen, Libuse, wo ich deine Mutter traf. « Er senkte seine Stimme. Libuse schob ihre Hand über den Tisch und ergriff die seine. Ihre Finger wirkten auf seiner schwieligen, gegerbten Pranke fein und zerbrechlich. » Sie war die Gefangene eines arabischen Sklavenhändlers, was nichts Ungewöhnliches ist in diesen Gegenden. Frauen werden hier oftmals gehandelt wie Vieh, man kauft sie auf Märkten und in seidenumwehten Hinterzimmern, und viele landen in den Harems der Reichen. So wäre es wohl auch deiner Mutter ergangen, denn sie war eine schöne Frau. Du hast ihr feuerrotes Haar geerbt und noch so manches mehr. Sie war eine Normannin, und die Geschichte, wie es sie in diesen Teil der Welt verschlagen hatte, war lang und höchst seltsam. Aber davon vielleicht ein andermal. Ich sah sie in den Fängen dieses Sklaventreibers, und ich wusste sofort, dass ich

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