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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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unter Tränen, das Geheimnis für sich zu behalten. Dieser Sohn eines Schakals aber sagte, das sei unmöglich, schließlich sei er der oberste Minister des Kalifen, und wenn am Hofe eine solche Ungeheuerlichkeit vorgehe … « Corax ’ Miene blieb unbewegt, nur das Narbengewebe unter seinen Augen zuckte und verriet, was in ihm vorging. » Falls sie allerdings einwillige, sich von mir loszusagen und stattdessen seine Frau zu werden, dann sei ihre Schuld getilgt. Gewiss könne er den Kalifen dann überzeugen, auch in meinem Fall gnädig zu sein. Ich würde dann nicht hingerichtet, sondern lediglich in die Verbannung geschickt. Sollte sie aber nicht zustimmen, sich ihm hinzugeben, dann bliebe ihm keine andere Wahl, als unser Treiben dem Kalifen zu melden. Das Schwein ließ ihr einen Tag Bedenkzeit, und was muss die Arme in jenen Stunden durchgemacht haben! Sie erzählte mir, sie habe sich sogar das Leben nehmen wollen, doch dann wäre ja auch das Kind in ihr gestorben, und eine solche Schuld wollte sie nicht auf sich nehmen. Sie war überzeugt, dass es nun in ihrer Hand läge, ob das Kind und ich am Leben blieben, oder aber ob wir alle drei sterben mussten. Und schließlich, schweren Herzens, willigte sie ein. «
    » Oh, Vater «, flüsterte Libuse mit erstickter Stimme.
    Aelvin suchte nach Tränen in den blinden Augen des Ritters, aber da waren keine. Nur die roten Narben zitterten und zuckten unablässig.
    » Sie gestand mir, dass sie ihm zu Willen gewesen war. Er nahm sie gleich dort, in unserem Bett, in unseren Räumen. Er benutzte sie wie eine seiner Mätressen, von denen er zahllose hatte. Wie oft hatte ich selbst Wache vor den Häusern betrogener Ehemänner gestanden, während sich der Wesir mit ihren Frauen vergnügte! Wir Gardisten hatten immer geglaubt, sie gäben sich ihm freiwillig hin, aber heute weiß ich, dass er sie ebenso gezwungen und erniedrigt hat wie meine Nive.
    Tag für Tag kam er nun zu ihr, oft für viele Stunden, und sie tat, was er von ihr verlangte. Immer dachte sie dabei nur an das ungeborene Kind und … an mich, daran, dass sie mit all dem unser beider Leben erkaufen würde. Der Wesir kannte keine Grenzen, keine Scham, und dass sie seit mehreren Monaten mit einem Kind schwanger war, störte ihn ebenfalls nicht. Ich kann nicht einmal ahnen, was sie in jener Zeit durchgemacht hat, wie sehr sie sich quälte, wie oft sie daran dachte, eine Klinge zu nehmen und allem ein Ende zu machen, weil sie die Schande und das Leid nicht mehr ertrug.
    Schon bald wurden seine Besuche unregelmäßig, dann immer seltener. Er sprach nun nicht mehr von Hochzeit, denn er war auch ihrer jetzt überdrüssig geworden wie all seiner Gespielinnen zuvor. Er hatte sie benutzt, und nun warf er sie fort. Von einer Ehe wollte er nichts mehr wissen, und auch von ihr nicht. Als er sich zum letzten Mal an ihr verging, drohte er ihr wieder, dem Kalifen alles zu offenbaren, wenn sie mir gegenüber auch nur ein Wort darüber verlöre. «
    Aelvin blickte zu Libuse hinüber, und an ihrem Gesichtsausdruck sah er, dass ihr gerade zum zweiten Mal Gewalt angetan worden war. Sie machte keinen Unterschied zwische n d em Leid, das die Wolfskrieger ihr zugefügt hatten, und dem Vergehen des Wesirs an ihrer Mutter. » Ich war dabei «, wisperte sie tonlos. » Was er Mutter angetan hat, das hat er auch mir angetan. «
    » Sag das nicht! «, entfuhr es Corax mit schwankender Stimme. » Sag so etwas niemals wieder! «
    Libuse schwieg, doch Aelvin sah ihr an, was sie dachte. Wieder überkam ihn die Furcht, er könnte sie soeben verloren haben. Was wog schon das, was sie beide verband, gegen den Hass und die Verzweiflung, die jetzt in ihr tobten?
    Schweren Herzens näherte sich Corax dem Ende seines Berichts. » Wenige Tage nach dem letzten … Besuch des Wesirs kehrte ich heim. Ich kniete vor der Tür der Kammer, in der Nive sich eingeschlossen hatte, und ich brachte kein Wort heraus. Vielleicht glaubte sie, ich gäbe ihr eine Schuld an dem, was geschehen war … vielleicht … « Er verstummte, holte tief Luft und fuhr fort. » Ich hätte sie trösten müssen, sie besänftigen, doch stattdessen … Ich sprang auf, packte mein Schwert und ging geradewegs zum Wesir. Seine Garde, die Männer, die ich selbst einst angeführt hatte, stellten sich mir in den Weg, und ich erschlug ein halbes Dutzend von ihnen, darunter meine besten Freunde. Ich drang bis zum Wesir vor, der gerade erfahren hatte, dass der Kalif mich zum Oberbefehlshaber gemacht

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