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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hatte, und vor Wut kochte … Ich stürmte auf ihn zu, ohne ein Wort zu sagen, und er begriff sofort, dass Nive mir alles gestanden hatte … Wir kämpften, und ich hätte ihn getötet, wären nicht weitere Wächter dazugekommen, immer mehr und mehr … Ich muss zehn oder noch mehr von ihnen getötet oder verstümmelt haben, ehe sie mich schließlich überwältigten. Ich wurde in einen Kerker geworfen, und ich schrie und flehte, Nive noch einmal wiedersehen zu dürfen, doch diese Gunst wurde mir nicht gewährt. Schließlich wurde ich dem Kalifen vorgeführt, und er erklärte mir, der Wesir habe behauptet, ich hätte versucht, ihn zu töten, um auch den Rest seine r Ä mter an mich zu bringen. Ob mir denn nicht klar sei, dass ein Ungläubiger zwar Anführer einer Armee, niemals aber Wesir sein könne? Ich hörte kaum zu, und ich war drauf und dran, ihm die Wahrheit zu sagen, doch ich wusste, was dann geschehen würde: Der Wesir würde behaupten, Nive sei nicht wirklich meine Frau, und er habe ein Anrecht auf sie erhoben, denn wenn sie keinem Mann gehörte, warum dann nicht ihm, der gelobt hatte, sie zu seinem Weib zu machen? Oh, er hätte sich zweifellos einen Berg von Lügen einfallen lassen, und der Kalif hätte gewiss eher ihm als einem treulosen Weib, einer Ungläubigen noch dazu, Glauben geschenkt. So oder so – Nive wäre verstoßen und als Hure vor der Palastmauer gesteinigt worden. Ich konnte nicht die Wahrheit sagen, und der Wesir wusste das genau.
    Heute, mit dem Abstand der Jahre besehen, weiß ich, dass der Kalif keine andere Wahl hatte, als mich zu verurteilen. Trotz allem war er ein guter Mann und ein gerechter Herrscher, besser als alle, von denen ich im Abendland gehört habe. Er hatte viel gewagt, indem er mir den Befehl über das Heer versprach. Aber niemals, niemals hätte ihm sein Volk verziehen, wenn er dem Wort eines Fremden mehr Vertrauen geschenkt hätte als dem seines Wesirs, der ihm seit Jahren ein guter Berater und Freund gewesen war. «
    » Welches Urteil hat er über dich verhängt? « In Favolas Stimme schwang tiefes Mitgefühl.
    » Verbannung «, sagte Corax. » Er hätte mich hinrichten lassen können, aber er entschied, mich stattdessen des Landes zu verweisen. Zweifellos wandte er sich damit gegen den ausdrücklichen Wunsch seiner Berater. Ich denke, er tat es aus Dankbarkeit, weil ich ihm in den Bergen das Leben gerettet hatte. Vielleicht glaubte er, das sei er mir schuldig. «
    » Damit hatte er wohl auch Recht «, sagte Aelvin erbost.
    » Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. « Corax ’ Tonfall ließ alle erahnen, dass das Schlimmste noch ausstand. » Wieder bat ich darum, Nive sehen zu dürfen. Der Kalif hatte Mitleid und entschied, dass sie mich begleiten sollte, sobald das Kind geboren und sie kräftig genug für die Reise war. Bis zur Geburt aber sollten wir uns nicht begegnen. Ich sollte im Kerker auf unsere gemeinsame Abreise warten.
    Es waren schreckliche Stunden, allein in meinem Verlies, immer in der Ungewissheit, wie es Nive und dem Kind erginge. Ich lief den ganzen Tag auf und ab wie die Löwen des Kalifen in ihren Käfigen, und dabei beschäftigten mich nur zwei Dinge: meine Sorge um meine Familie und mein Hass auf den Wesir. Ich flehte zu Gott, mein Feind möge mich im Kerker besuchen, um mich zu verspotten, damit ich ihm schwören konnte, dass ich ihn eines Tages töten würde für das, was er getan hatte. Doch der Wesir kam nicht, und die einzige Nachricht, die mich von Nive erreichte, war die eine, die alles veränderte.
    Eines Tages, drei oder vier Wochen nach meiner Verurteilung, kam eine Frau, die ich nicht kannte, mit einem neugeborenen Kind in den Armen zu mir in die Zelle. Es war ein Mädchen, und es war sehr klein und schwach, aber es hatte Nives Augen und darin « – Corax leerer Blick richtete sich auf Libuse – » darin war eine solche Kraft, ein so starker Wille, dass man sehen konnte, dass es leben würde. Mochte es noch so schwächlich erscheinen, noch so klein und verletzlich – dieses Mädchen würde zu einer starken, wunderbaren Frau heranwachsen. «
    Libuse senkte den Blick. Favola weinte und Aelvin schluckte, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden.
    » Nive hatte sich das Leben genommen, bereits kurz nach meiner Verurteilung. Ein Arzt, der Leibarzt des Kalifen persönlich, hatte das ungeborene Kind aus ihrem sterbenden Leib geschnitten und die Kleine gerettet. Aber Nive … sie hatte nur noch diesen einzigen Ausweg gesehen. Vielleicht hat

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