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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zu halten oder gar zu löschen.
    Aelvin löste sich vorsichtig von Favola und schaute über die Brüstung in die Tiefe. Vier Stockwerke unter ihnen wimmelten panische Menschenmassen über den Platz, der sich am Fuß des Gebäudes bis zum Tor der Palastgartenmauer erstreckte. Das weite leere Grün jenseits der Zinnen bildete einen unwirklichen Gegensatz zu dem Getümmel, und einmal mehr fragte sich Aelvin, warum der Kalif nicht endlich das Tor öffnen ließ und den Menschen Zuflucht gewährte.
    » Sie würden den Palast stürmen «, sagte Favola, als sie sich neben ihm auf die Brüstung stützte.
    » Kannst du nun auch noch Gedanken lesen? «
    » Nur deine. « Ein Lächeln nahm ihr ein wenig von ihrer erschreckenden Blässe. Zugleich suchte sie unter ihrem Mantel nach dem Fläschchen mit Albertus ’ Kräutertinktur, zog sie hervor und nahm einen Schluck. Sie verzog das Gesicht, als sie die Medizin hinunterwürgte.
    » Der Kalif könnte so vielen das Leben retten «, sagte Aelvin mit Blick auf die Gärten.
    » Und sein eigenes aufs Spiel setzen. « Sie verkorkte die Phiole und schob sie zurück unter ihr Gewand. » Was würdest du an seiner Stelle tun? «
    Aelvin schwieg. Er wusste darauf keine Antwort. Es war so leicht, irgendetwas zu behaupten, wenn es keine Möglichkeit gab, es in die Tat umzusetzen. In den letzten beiden Monaten hatte er zu viel dazugelernt, über das Leben und die Menschen, als dass er sich jetzt ein Urteil anmaßen wollte.
    Er sah zu den Kuppeln und Türmen des Palastes hoch und fragte sich, was wohl aus den anderen geworden war. Wo steckte Libuse gerade? Ging es ihr gut? Er machte sich furchtbare Sorgen um sie.
    » Und nun? «, fragte Favola leise und legte ihre Wang e b ehutsam an seine Schulter. » Warten wir auf den nächsten Angriff? «
    Er deutete auf die Menge in der Tiefe, jenseits der treibenden Rauchschwaden. » Willst du immer noch da runter? «
    » Nicht, solange es keinen guten Grund gibt. «
    » Dann warten wir. «
    Sie nickte. » Auf was auch immer. «
    *
    In den Bäumen saßen Teufel.
    Flinke, haarige Kreaturen mit Schädeln, von denen Mähnen aus stachligen Haaren abstanden. Schnauzen mit gewaltigen Zähnen; einem zweiten Paar Hände anstelle von Füßen. Und rosafarbenen, glänzenden Hinterteilen, als wollten sie jeden verspotten, der sie erblickte.
    Affen, dachte Libuse. Das müssen Affen sein.
    Auch von ihnen hatte sie in den Schriften ihres Vaters gelesen, und da waren Bilder an den Rändern der Texte gewesen, grob skizzierte Gestalten, die ebenso gut verwachsene, behaarte Menschen hätten sein können. Sie hatten nicht wie Dämonen ausgesehen. Ganz im Gegensatz zu diesen hier.
    Das Dickicht schloss sich hinter ihr und gab ihr ein beängstigendes Gefühl des Verschlucktwerdens. Doch sie spürte auch noch etwas anderes, die Nähe von etwas Vertrautem, das wie Balsam war für ihren aufgewühlten Verstand. Eine sonderbare Ruhe überkam sie, und es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, woher es rührte.
    Es waren die Pflanzen. Die überwältigende Größe und Dichte dieser Gewächse. Kaum eines davon hatte sie je zuvor gesehen, auch wenn es Ähnlichkeiten zu einigen Bäumen und Büschen in ihren heimischen Wäldern gab. Hier schien alles schwerer, satter, glänzender. Und doch ging von dieser Umgebung dieselbe wohlige Wärme aus wie von den alten Eichen , Buchen und Birken daheim. Ob sie auch aus diesen Bäumen das Erdlicht beschwören könnte? Es war ein faszinierender Gedanke.
    Etwas flog aus dem Blätterdach auf sie herab, ein Wirbel aus Beinen und schnappenden Zähnen.
    Sie spürte es kommen, lange bevor sie es sah oder hörte, und ihr war, als hätten ihr die Blätter eine Warnung zugeraunt.
    Keine Zeit. Nicht denken. Nur reagieren.
    Sie riss das Schwert in die Höhe, fühlte es in einen Körper eindringen, der noch im selben Herzschlag wie ein Felsblock auf sie niederstürzte. Sie ging zu Boden, stieß sich den Kopf an einem Baumstamm, bekam einen Moment lang keine Luft mehr, spürte erschlaffende Glieder über sich und begann dann zu strampeln und zu treten, bis sie sich von dem sterbenden Tier befreit hatte. Der Affe zuckte noch, aber irgendwie wälzte sie ihn von sich herunter. Er war so schwer wie ein Mensch, kleiner zwar, aber ungeheuer breitschultrig. Seine Muskelberge unter dem rauen Pelz bebten, und das Maul mit den mächtigen Zähnen schloss sich langsam. Sein Blick war gebrochen. Die Klinge des Kurzschwertes war ihm von unten in die Kehle gedrungen. Sein Blut

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