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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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über sie hinwegsetzte und im Unterholz verschwand – genau dort, wo das Schwert liegen musste. Sie hörte ihn in den Büschen rascheln, aber er kam nicht wieder hervor. Sie stemmte sich auf alle viere, dann zurück auf die Beine. Mit klopfendem Herzen teilte sie das Dickicht, sah aber weder ihren Gegner noch die Waffe.
    Natürlich. Er hatte jetzt das Schwert.
    Die Affenhorde fegte kreischend über ihren Köpfen hin und her. Die Blätter flüsterten. Über ihr, neben ihr, überall brachen Äste.
    Zurück!, durchzuckte es sie. Irgendwohin, wo der Urwald lichter war.
    Mit hastigen Schritten sprang sie auf die winzige Lichtung, wo der Leichnam des Knechts lag. Beinahe wäre sie über ihn gestolpert, sie machte einen kleinen Satz und stand dann einigermaßen sicher auf beiden Füßen. Bis zu den grünen Blätterwänden waren es in alle Richtungen knapp drei Schritt.
    Ein Affe sprang über ihr aus einer Baumkrone und kam auf dem Rücken des Toten auf. Sein Fell war grau, sein hässliches Gesicht schien ihr faltiger zu sein als das der anderen. Aber das mochte täuschen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, es mit einem Anführer zu tun zu haben. Vielleicht so etwas wie ein Häuptling.
    Sie sind keine Menschen! Vergiss das nicht!
    Der Affe beobachtete Libuse, legte den Kopf leicht schräg, dann schien er schlagartig das Interesse an ihr zu verlieren und widmete sich dem Leichnam. Mit einer seiner schwarzhäutigen Klauen stieß er den kahlen Hinterkopf des Toten an. Zweimal, dreimal, dann so heftig, dass der Kopf danach in einem seltsamen Winkel von den Schultern abstand. Libuse hätte sich Sorgen um Abu Tahir machen müssen, um das Schwert, das er jetzt trug. Und doch konnte sie nicht anders, als ganz genau hinzusehen, wie der Affe mit einer seltsamen Mischung aus Grobheit und Zuneigung versuchte, ganz sicherzugehen, dass der Knecht tot war.
    Plötzlich ruckte das Gesicht des Tiers hoch. Seine Augen richteten sich auf Libuse, blickten dann an ihr vorbei.
    Sie ließ sich nach rechts fallen.
    Ein Reflex, der ihr das Leben rettete.
    Mit einem zornigen Aufschrei sprang Abu Tahir hinter ihr auf die Lichtung, die Klinge gerade vorgestreckt. Der Stahl hätte Libuse durchbohrt, hätte der Blick des Affen sie nicht gewarnt. So aber kam der Wesir ins Stolpern, setzte ungewollt auf das Tier zu – und ritzte dessen Schulter mit der Schwertspitze. Schreiend wich der Affe zurück, blieb aber vor der Blätterwand hocken und versuchte, die Wunde mit seiner Zunge zu erreichen.
    Abu Tahir fing sich noch, bevor er über den Leichnam des Knechts stolpern konnte, wirbelte herum und fixierte Libuse.
    » Du kannst deinen Vater nicht mehr retten «, brachte er keuchend hervor. » Er hat sich nicht verändert, nicht in all den Jahren. Ich wusste, dass er früher oder später zur Mauer reiten würde. « Er hielt das Schwert mit der Linken, sein rechter Ärmel war blutgetränkt. Die Klinge zitterte. » Unsere Leute haben ihre Befehle längst bekommen. Sie warten nur darauf, dass er – «
    Der verwundete Affe stieß ein hohes, gellendes Kreischen aus.
    Überraschung legte sich über die Miene des Wesirs. Dann Begreifen. Schließlich maßloses Entsetzen.
    Sie kamen von oben und von den Seiten, eine Heerschar haariger, schnappender, unglaublich flinker Gestalten, die ihn wie eine Woge zu Boden rissen und unter sich begruben. Ihr Schreien schmerzte in Libuses Ohren. Auch der Wesir brüllte aus Leibeskräften, doch es ging unter im Orkan des Affengekreischs.
    Zähne wurden in seine strampelnden Glieder geschlagen und rissen rohes Fleisch heraus. Einer der Affen schwenkte etwas, das ein Unterarm sein mochte, und huschte damit ins Unterholz. Schreckensstarr sah Libuse zu, wie sich mehrer e d er Tiere um ein Bein balgten, ehe sie mit Bündeln aus losem Stoff und Muskelfleisch davonjagten.
    Der alte Affe kauerte am Rand des Dickichts und beobachtete die Vergeltung seiner Artgenossen. Er wippte leicht auf seinen Armen und Beinen, leckte seine Wunde, und als er schließlich nach vorn hechtete, mitten unter die anderen Affen, da strömten sie auseinander und ließen ihm das Vorrecht der endgültigen, letzten Rache.
    Libuse wandte sich ab, als der Affenhäuptling alle vier Klauen in die Überreste des Wesirs schlug. Mit gellenden Schreien riss er die Pranken zurück und wirbelte Eingeweide durch die Luft, vollführte inmitten des Torsos einen aufgebrachten Tanz, stampfte und sprang und schlug triumphierend die Kiefer aufeinander.
    Libuse stolperte zurück ins

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