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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er brüllte auf, als sich sein weißes Gewand über der Wunde dunkelrot färbte. Dann standen sie sich schwer atmend gegenüber, breitbeinig, mit pendelnden Oberkörpern und verkniffenen Gesichtern.
    » Er hat dich angelogen «, brachte Abu Tahir hervor, während hinter ihm Sinaida weiter mit den beiden Ministern focht. Die drei waren ein gutes Stück entfernt, fast in der Mitte der Käfigallee, während der Wesir und Libuse am Rande des Platzes standen, nahe beim Portal des hohen Anbaus.
    » Ich töte dich für das, was du meiner Mutter angetan hast «, spie sie ihm entgegen.
    » Angetan? « Abu Tahir verzog das Gesicht, aber ein Lächeln wurde nicht mehr daraus. Die Wunde in seiner Schulter war wohl tiefer, als Libuse zu hoffen gewagt hatte. » Sie ist zu mir gekommen! Dein Vater glaubt, ich hätte sie gezwungen. Aber das war eine Lüge. Ihre Lüge. Sie hat ihm diese Geschichte erzählt, diese falsche Schlange! Sie hat versucht, uns gegeneinander auszuspielen, und wir sind beide ins offene Messer gerannt. «
    Libuse wollte nicht auf das hören, was er da sagte. Sie versuchte, die Worte von sich abprallen zu lassen wie Schwertstreiche von einer Rüstung.
    Es gelang ihr nicht.
    » Ich bin hier, um mit dir zu kämpfen, Abu Tahir «, keuchte sie und versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. » Nicht, um mir deine Lügen anzuhören. «
    » Kämpfen sollst du «, gab er zurück, » und ich werde dich töten. Aber vorher sollst du die Wahrheit erfahren. «
    » Deine Wahrheit! « Sie schüttelte heftig den Kopf, sodass ihr rotes Haar nur so wirbelte. » Behalt sie für dich. «
    » Nive wollte mich. Sie hat gefleht, dass ich sie in mein Bett nehme. Und sie hat es genossen, diese Hexe! «
    Libuse schrie auf und machte einen Satz auf ihn zu. Die Schnelligkeit, mit der sie vorstieß, überrumpelte ihn. Dennoch gelang es ihm, sein Leben zu retten – aber ihre Klinge, Zubaidas Kurzschwert, traf seinen rechten Unterarm und schnitt tief durch Muskelfleisch und Knochen. Ein gellendes Kreischen kam über seine Lippen, sein Schwert fiel. Mit einem Tritt beförderte Libuse es in die Büsche.
    Abu Tahir warf sich herum und rannte über den Platz. In Windeseile war er durch das Portal verschwunden.
    Von irgendwoher ertönte ein gewaltiges Donnern, und etwas erschütterte den Boden. Vögel stiegen überall aus den Bäumen auf, und das Brüllen der Raubkatzen in ihren Käfigen wurde zu einem infernalischen Getöse.
    Libuse blickte zurück zu Sinaida, die einen weiteren Gegner getötet hatte. Jetzt focht sie nur noch mit dem Minister im rubinroten Gewand, dem ältesten, aber auch erfahrensten der drei Verräter. Sie würde allein mit ihm fertig werden.
    Ein zweites Donnern, weiter entfernt, aber nicht weniger kraftvoll. Löwen warfen sich gegen die Gitter. Die Tiere gerieten in Panik. Was waren das für Erschütterungen?
    Doch Libuse blieb keine Zeit mehr, sich weitere Gedanken darüber zu machen. Sie setzte sich in Bewegung, zögerte kurz am Tor des Gebäudes, dann folgte sie Abu Tahir ins Innere.
    Albtraumhafter Gestank, dann Geschrei. Schwere, von Feuchtigkeit gesättigte Luft, die ihr den Atem raubte.
    Ein offenes Gittertor. Dahinter ein künstlich angelegter Dschungel.
    Der Wesir war im Unterholz verschwunden, aber sie sah die Blutspur, die er am Boden und auf fleischigen Laubwedeln hinterlassen hatte.
    Das Kreischen umfing sie von allen Seiten, als sie mit dem Schwert feuchte Ranken beiseite schob und in den grünbraunen Dämmer des Dickichts vordrang.
    *
    Erst regnete es Feuer vom Himmel. Dann Felsbrocken.
    Aelvin zog Favola an sich und schloss sie in seine Arme, als der unvermeidliche Angriff auf die Runde Stadt seinen Anfang nahm. Von der Turmbrüstung sahen sie lodernde Bälle aus dem rauchenden Ruinenfeld vor den Mauern aufsteigen, doch die Mongolen und ihre Kriegsmaschinerie blieben von hier aus unsichtbar. Jenseits der Qualmwände über den äußeren Quartieren war die Sonne vielleicht schon untergegangen, aber sicher sein konnten sie nicht – die rote Glut im Rauch mochte ebenso gut von den Feuern rühren, die auch am vierten Tag des Angriffs noch überall in Bagdad loderten. Nur die Runde Stadt war bislang von den Flammen unversehrt geblieben. Aber damit hatte es nun ein Ende.
    Aelvin sah, wie eine Feuerkugel nördlich des Basra-Tors in den Irrgarten der Gassen und ehemaligen Basare einschlug. Sogleich stob ein Wirbel aus Funken auf, sprühte in alle Richtungen und setzte umliegende Dächer in Flammen. Weitere

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