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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Verräter, der am schnellsten reagierte und ein Schwert unter seiner rubinroten Robe hervorzog. Dann rissen auch seine beiden Begleiter Waffen aus ihren Gürteln. Der Jüngste besaß zu Libuses Erstaunen eine kerzengerade Klinge, die man in dieser Gegend selten sah. Das Purpur seiner Kleidung spiegelte sich auf dem silbrigen Stahl; es sah aus wie getrocknetes Blut.
    Es wurde keine Zeit mit Worten vergeudet, und das war vielleicht das gespenstischste an dem Kampf, der nun zwischen den Löwenkäfigen entbrannte. Niemand sprach. Niemand fluchte. Keiner machte auch nur den Versuch, den Gegner durch eine Drohung zu verunsichern. Allen war klar, dass dieses Gefecht allein durch den Tod entschieden würde.
    Sinaida sprang mitten unter die Minister und brachte augenblicklich zwei von ihnen mit einer blitzschnellen Folge von Hieben und Stößen in Bedrängnis. Der dritte aber nutzte die Lücke zwischen ihren Attacken und vollführte einen Hieb in ihre Richtung. Sie wich ihm aus, drehte sich mit noch gebeugten Knien zu ihm um und rammte ihm das Schwert in den Unterleib. Der Angriff kam so schnell, dass eine Parade unmöglich war. Die Klinge schnitt durch schwarzen Stoff, drang in seine Eingeweide, wurde herumgedreht und wieder hervorgezogen. Die beiden anderen Männer erkannten erst, dass ihr Gefährte getroffen war, als er bereits sterbend zusammenbrach.
    All dies geschah, bevor Libuse überhaupt heran war. Sie sah, wie der Wesir sich aus dem Gefecht zurückzog und mit dem Schlüsselbund an dem Käfigschloss hantierte. Libuse stieß einen wilden Schrei aus, wie sie ihn sich einst von ihrem Vater abgeschaut hatte, und zwang Abu Tahir mit ihrem Angriff, von dem Käfig abzulassen. In Sekundenschnelle waren auch sie in ein hektisches Gefecht verwickelt.
    Der Wesir kämpfte mit einer Klinge, die gut doppelt so lang war wie Libuses Kurzschwert; der Stahl war gebogen, wurde nach oben hin breiter und lief in einer geschwungenen Spitze aus. Es war eine Waffe, die eher der Zierde diente als dem Kampf, mörderisch zwar, aber schwer zu handhaben. Der Wesir führte sie beidhändig, und Libuse wusste genau, dass er ihre Klinge zerschmettern würde, träfen beide Schwerter aufeinander. Es blieb ihr nichts übrig, als jedem seiner Angriffe auszuweichen, unter Hieben hinwegzutauchen ode r m it einem Satz zur Seite aus der Reichweite der Klinge zu gelangen. Immer dann aber, wenn er zu einem weiteren seiner kraftvollen Schläge ausholte, versuchte sie flink nach vorn zu springen und ihrerseits mit dem Kurzschwert zuzustoßen.
    Derweil bewegte sich Sinaida so schnell, dass sie kaum mehr war als ein verwischter Schemen zwischen den fliegenden Gewändern ihrer beiden Gegner. Doch auch die Minister waren erfahrene Kämpfer, und nun erwies sich, dass ihre Zeit bei Hofe sie keineswegs verweichlicht hatte. Geschickt umtanzten sie die Mongolin, und nun, da sie die Gefahr nach dem Tod ihres Gefährten einschätzen konnten, waren sie weitaus vorsichtiger und stimmten ihre Attacken aufeinander ab.
    Der Wesir drängte Libuse an eines der Gitter zurück, und im selben Moment, da sie das Eisen in ihrem Rücken spürte, hörte sie ein fürchterliches Fauchen. Gerade noch ließ sie sich nach vorne fallen, haarscharf unter dem Schwertstreich Abu Tahirs hinweg, und sah hinter sich Funken sprühen, als die Klinge gegen die Käfigstangen prallte. Zugleich riss die Raubkatze hinter dem Gitter die Pranke zurück, mit der sie nach Libuses Rücken hatte schlagen wollen. Brüllend sprang das Tier zur Rückseite seines Gefängnisses.
    Abu Tahir machte gleich den nächsten Versuch, sie gegen einen der Käfige zu treiben, und ihr wurde klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe er damit Erfolg haben würde. Aufgebracht vom Klirren der Schwerter und den schnellen Bewegungen tobten mittlerweile alle Bewohner der Käfige hinter den Gittern, gleitende, lauernde Bewegungen auf gewaltigen Pranken. Ab und an stieß eine der Raubkatzen einen Schrei aus, andere fauchten in die Richtung der Kämpfenden, ohne zwischen Freund oder Feind unterscheiden zu können.
    » Was hat er dir über deine Mutter erzählt? «, zischte der Wesir. » Dass ich sie gezwungen habe, mir zu Willen zu sein? «
    Libuse stieß einen zornigen Schrei aus, sprang über einen niedrig geführten Schlag hinweg und stieß zu. Ihre Klinge erwischte ihn an der Schulter und fügte ihm einen tiefen Schnitt zu – sie hätte sein Herz getroffen, hätte er die Attacke nicht kommen sehen und sich zur Seite gedreht.

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