Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
nieder zu hüpfen, doch sie schaffte es irgendwie, in Aelvins Nähe zu bleiben.
» Corax! «, schrie er so laut er konnte. » Corax von Wildenburg! «
Für einen Augenblick war ihm, als horche der Ritter auf. Der behelmte Kopf bewegte sich, die blinden Augen hinter den Eisenschlitzen wandten sich in Aelvins Richtung.
Dann aber schleuderte jemand einen Tonkrug, und das Geschoss traf den Kopf des Reiters, der die Zügel von Corax ’ Ross führte. Mit einem Schrei wurde er rückwärts aus dem Sattel geworfen, ließ die Lederbänder fahren und fiel zu Boden, geradewegs zwischen die Hufe der Pferde. Jubel brandete aus der Menge auf, und dann war es, als hätten Fluten einen Damm gesprengt. Kreischende, schlagende, tretende Menschen sprangen an den Pferden hinauf, zerrten an den Soldaten, ungeachtet der Klingen, die jetzt in ihre Richtung zielten. Blut floss, erst auf Seiten der Angreifer, dann auch auf jener der Garde. Ein Hexenkessel aus geschwenkten Fäusten, aufgerissenen Mündern und irrlichternden Blicken.
Um Aelvin wurde das Gedränge so heftig, dass er keine Luft mehr bekam, nur noch panisch um sich schlug, einem Mann die Faust ins Gesicht hieb, einem anderen den Ellbogen in den Kehlkopf. Er hörte nichts mehr, das Schreien und Toben war zu einem gleichförmigen Klangteppich geworden, zu laut, um noch irgendwelche Unterschiede oder einzelne Stimmen auszumachen. Wenn es vorhin wirklich einen Moment lang so ausgesehen hatte, als könne Corax auf sie aufmerksam werden, so war die Gelegenheit endgültig verstrichen.
Plötzlich konnte Aelvin wieder atmen, aber die Panik blieb. Kurz sah er Favola auftauchen, jetzt plötzlich vor sich, von den Strömungen der Masse an ihm vorbeigetragen, gena u i ns Zentrum des Aufruhrs. Statt Corax ’ rief er nun ihren Namen, mit demselben niederschmetternden Ergebnis. Zugleich wuchs der Druck von hinten, seine Rippen schienen zu bersten, die Luft blieb ihm abermals weg, und mehrere Herzschläge lang wurde ihm schwarz vor Augen.
Als er wieder sehen konnte, saß keiner der Reiter mehr im Sattel. Im ersten Moment glaubte er, sie wären alle tot, niedergetrampelt unter den Füßen der Masse. Dann aber hörte er die Schreie, das Scheppern von Eisen – und zugleich strömte die Menge nun von innen nach außen, genau in die umgekehrte Richtung, fort von den Gardisten, die inmitten der Masse verzweifelt um ihr Leben kämpften. Er sah Reflexe des roten Feuerhimmels auf Helmen, sah zuckende Schwertklingen über den Köpfen der Menschen. Dann wurde er nach hinten gestoßen, noch bevor er sich umdrehen konnte, um mit der Menge zu den Rändern des Platzes zu treiben.
» Aelvin! « Lang gezogen, dann zu einem Stöhnen verzerrt hörte er seinen Namen. Er bekam Favolas Arm zu packen, hatte nicht mehr das Gefühl, aus eigener Kraft zu laufen, bewegte sich dennoch mit der Menge, mochte Gott wissen, wohin.
Und dann war es, als explodiere der gesamte Platz wie ein Wasserfass. Schlagartig verlief sich der Tumult, als wäre ein Großteil der Tobenden innerhalb eines Atemzugs im Boden versickert. Die Menschenpulks in den Gassenmündungen waren auseinander gestoben, und nun ergossen sich die Männer, Frauen und Kinder in die umliegenden Durchgänge zwischen den Häusern. Die Massenpanik verlagerte sich an die Ränder des Geschehens, während das eigentliche Zentrum des Aufruhrs zur Ruhe kam.
Aelvin stolperte, riss Favola zu Boden und warf sich schützend über sie. Um sie herum sanken Menschen nieder wie von einer unsichtbaren Sense gefällt, während andere weiterrannten, über die Gestürzten hinweg und fort in die Gassen.
Aelvin hob langsam den Kopf und sah, was geschehen war.
Das Tor des Palastgartens stand offen. Zahlreiche Gardisten waren ausgerückt, und noch immer kamen weitere nach. Manche Soldaten folgten den Flüchtenden mit gezückten Klingen bis in die Gassen, andere sicherten den niedergerungenen Reitertrupp in der Mitte des Platzes. Wie es um Corax und seine Begleiter stand, konnte Aelvin nicht erkennen, denn ein Ring aus Soldaten schirmte die Gefallenen und Verletzten ab. Die Männer standen in einem engen Kreis, die Gesichter nach außen gewandt, hielten ihre Schwerter beidhändig und waren bereit, jeden, der einen weiteren Angriff wagte, auf der Stelle niederzumachen.
Rund um diesen Kern aus gezücktem Stahl war der Platz mit Verletzten übersät. Manche schleppten sich auf allen vieren davon, andere humpelten in die Richtung von Hauseingängen und Gassenmündungen. Viele aber
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