Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
scharrte, kam ein honiggelber Skorpion zum Vorschein und huschte aufgeschreckt davon.
» Die Wüste erweckt nur den Anschein, tot zu sein «, sagte Sinaida. » In Wahrheit ist sie voller Leben. Es erschließt sich uns nur nicht auf den ersten Blick. «
Albertus war gleichfalls stehen geblieben. » Gewürm der Erde, nichts sonst. Die Geißel Gottes für dieses Land. «
» Nein «, erwiderte Sinaida heftig. » Diese Tiere sind nicht die Geißel dieses Landes, sondern seine Zukunft. Unter der öden Oberfläche kocht diese Wüste von Leben. «
Stunden trotteten sie dahin, die Augen gesenkt oder halb zugekniffen gegen das gnadenlose Sonnenlicht. Manchmal bewegte sich etwas auf der Kuppe einer Düne, doch immer wenn Aelvin hinsah, um sich zu vergewissern, war da nichts als aufgewirbelter Sand, der in flächigen Schleiern den Hang herabwehte. Einmal entdeckte er einen Wüstenfuchs mit langen spitzen Ohren, und er sagte sich, dass es hier noch andere Lebewesen geben musste, denn kein Fuchs ernährte sich von Käfern. Und wer ernährte sich von dem Fuchs?
Die Spuren Shadhans und seiner Männer waren größtenteils vom Wind verweht worden. Nur dort, wo die Gefährten gelegentlich kleine Gipsebenen passierten, halb verborgen in Mulden zwischen den Sandbergen und von grauen, borstigen Sträuchern eingefasst, fanden sie manchmal Kerben, die die Kamele und ihre Führer im Boden hinterlassen hatten. Die Tiere nagten und kauten an den trockenen Zweigen, während Sinaida wieder und wieder versuchte, die Zahl der Männer abzuschätzen, denen sie folgten. Schließlich kam sie auf acht, weniger, als sie zu Anfang angenommen hatten. Sieben Turgauden und Shadhan selbst.
Die zweite Nacht verbrachten sie am Fuß eines Steinriesen. Aelvin hatte aufgehört, sie zu zählen, und allmählich verlor er den Respekt vor ihnen. Vor dem Einschlafen lehnte er mit dem Rücken an der glatten Oberfläche, das Gesicht vom wärmenden Lagerfeuer abgewandt, und blickte hinauf in den Nachthimmel. Nie zuvor hatte er so viele, so helle Sterne gesehen. Auch das schien eines der Wunder der Wüste zu sein. Womöglich waren sie dem Himmel hier tatsächlich näher als anderswo.
Libuse kuschelte sich an ihn. Er legte einen Arm um ihre Schulter. Das Feuer wärmte ihre rechte Gesichtshälfte und tauchte sie in goldenen Glanz. Aelvin streichelte gedankenverloren über ihr Haar, dann küsste er sie. Ihre Lippen schmeckten nach der Wüste, salzig und trocken, doch als sie sie öffnete, lag dahinter eine neue Welt.
Das Gefühl, sie küssen zu müssen, hatte ihn mit einer Heftigkeit übermannt, die ihn unter anderen Umständen überrascht hätte. Hier draußen aber, umgeben vom Anbeginn der Schöpfung, schien es die natürlichste, die selbstverständlichste Sache der Welt zu sein.
Als sich ihre Lippen voneinander lösten, dachte er keinen Herzschlag daran, sich nach Albertus umzuschauen. Ihm war gleichgültig, ob der Magister es mit angesehen hatte. Favola, so viel wusste er, schlief tief und fest einige Schritt entfernt auf der anderen Seite des Feuers. Sie schien die meiste Zeit über zu schlafen, auch am Tag. Sie alle wussten, dass es eher eine Ohnmacht war als wahrhaftiger Schlaf, doch sie sprachen niemals darüber, so als könnten sie die rapide Verschlechterung von Favolas Zustand durch ihr Stillschweigen leugnen oder gar abwenden. Es war schmerzhaft genug, ihren unaufhaltsamen Verfall mit anzusehen; darüber zu reden überstieg ihrer aller Leidensfähigkeit.
Libuse löste sich von ihm, stand auf und streckte ihm ihre Hand entgegen. Sie sagte nichts, kein Wort der Aufforderung, lächelte nur sanft. Er erhob sich, und dann gingen sie Hand in Hand zur anderen Seite des Felsriesen, wo das archaische Glasgestein sie vor den Blicken der Gefährten schützte.
Sie küssten sich erneut, und nun führte Libuse seine Hand an ihre Hüfte, raffte dabei den Saum ihres Hemdes nach oben und gewährte ihm Einlass unter ihre Kleidung, zur war men, glatten Mulde ihrer Taille. Und als sie schließlich verschlungen beieinander lagen, öffnete sie ihm ihren schlanken, schimmernden Leib und schenkte ihm, was ihr zu schenken geblieben war.
*
Am dritten Tag in der Wüste gaben sie es auf, zu Fuß vor ihren Kamelen herzulaufen, auch wenn Sinaida davon abriet. Weil sie in einer langen Reihe hintereinander ritten, war es so gut wie unmöglich, sich zu unterhalten. Die Winde des Leeren Viertels rissen ihnen jeden Ruf von den Lippen.
Die Sonne ging bereits unter, als Aelvin die
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