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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einer fließenden Bewegung über sich hinweg. Aelvin kam mit Gesicht und Schulter im eiskalten Sand auf, rollte sich rasch, aber ungeschickt ab und brach sich dabei fast das Handgelenk. Trotzdem kam er wieder auf die Beine, wirbelte benommen herum und hatte einen Moment lang Mühe, seine Umgebung klar zu erkennen. Ein öliger Schleier schien über allem zu liegen – mit Ausnahme von Shadhan, der ebenfalls aufgesprungen war und mit seinem Umriss den Schein des Feuers verdunkelte. Ihn sah Aelvin mit kristallener Schärfe, wie ein Bogenschütze, der am Schaft seines Pfeils entlang auf sein Opfer zielt.
    Der Nizari bewegte sich nicht. Er wartete ab. Vielleicht wollte er sehen, ob Aelvin wirklich etwas vom Kämpfen verstand. Seine bloßen Hände öffneten und schlo ssen sich. Seine Waffen, falls er je welche besessen hatte, waren bei den Qurana zurückgeblieben.
    » Was soll das ändern? «, fragte der alte Mann. Er bildete mit beiden Händen vor seiner Brust ein Oval, aber die gestreckten Fingerspitzen berührten sich nicht. Es war eine sonderbare Geste, beinahe wie eine Beschwörung.
    Er ist kein Magier, hämmerte Aelvin sich ein.
    Nein, sagte die Stimme in ihm. Das muss er auch nicht sein, um dich zu töten.
    Mit einem zornigen Aufschrei warf Aelvin sich abermals nach vorn. All seine Wut lag in diesem Ansturm, der Schmerz über das, was mit Favola geschehen war, sein Hass auf jene, die die Schuld daran trugen.
    Shadhan wich ihm in einer eleganten Bewegung aus, glitt wie ein Schatten beiseite und versetzte ihm mit der Handkante einen Schlag in die Rippen. Aelvin bekam keine Luft mehr. Er stolperte über das niedrige Feuer, wirbelte Glut und verkohlte Zweige auf, hielt sich aber irgendwie auf den Beinen. Augenblicklich fuhr er herum, schwer atmend, aber entschlossener denn je.
    Sein Blick fiel auf Favola. Auf ihr regloses, schweigendes Gesicht. Er erinnerte sich, wie sie damals in Saphilius ’ Haus seine Finger geküsst hatte, die Kuppen seines Handschuhs, um sie dann an seine Lippen zu führen. Ihr erster, ihr einziger Kuss.
    Er dachte auch an den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, als er sich für Libuse entschied. Libuse, die er mehr liebte als alles andere auf der Welt. Favola hatte es gewusst, vielleicht viel früher als er selbst. Sie hatte gelitten und geschwiegen und sich in ihr Schicksal ergeben, genau wie sie es ihr ganzes Leben lang getan hatte.
    Kämpfte er wirklich mit Shadhan? Oder rang er vielmehr mit seinen eigenen Schuldgefühlen?
    » Lass gut sein, Junge «, sagte der Nizari. » Es ist sinnlos. «
    Aelvin wusste, dass das die Wahrheit war. Es war sinnlos. Doch diese Erkenntnis konnte ihm nicht den Schmer z n ehmen, das Gefühl, selbst zu Favolas Elend beigetragen zu haben. Es war so viel einfacher, Shadhan zu hassen statt sich selbst.
    Er umrundete das Feuer mit langsamen, angespannten Schritten. Shadhan wandte sich ihm zu, bewegte sich jedoch nicht von der Stelle. Etwas Lauerndes lag in der Haltung des Alten. Es mochte lange her sein, seit er die Kampfkunst der Nizaris zum letzten Mal angewandt hatte, aber verlernt hatte er sie nicht.
    » Es war dir egal, wie viele Menschen gestorben sind «, rief Aelvin dem Alten entgegen. Er deutete auf Favola. » Selbst jetzt ist sie dir gleichgültig. «
    » Glaubst du denn wirklich, du bist der Einzige hier, der für irgendetwas kämpft? «, fragte Shadhan. » Der Fall von Alamut, die Eroberung Bagdads – ich habe das alles nicht aus Willkür veranlasst. Die Alten vom Berge haben mir nie gegeben, was mir zugestanden hätte. Nicht Khur Shah und nicht sein Vater … sie haben mir stets vorenthalten, was hätte mein sein sollen. Endlose Jahre habe ich für sie geforscht, die alten Schriften übersetzt und zu verstehen versucht, was sie bedeuten. Ohne mich hätte es längst keine Nizaris mehr gegeben, weil das alte Wissen verschollen gewesen wäre. Aber was bekam ich als Dank dafür? Nichts. Das war die Ungerechtigkeit, die alle anderen nach sich gezogen hat. Verstehst du, Junge? Nicht nur du bist im Recht. «
    » Du hast Sinaidas Mann aus Rache getötet. «
    » Nein. « Shadhan entfernte sich langsam vom Feuer und von Favola. Aelvin konnte sie jetzt wieder im Sand liegen sehen. Ihre Position schien verändert. Hatte sie sich bewegt?
    » Khur Shah musste sterben, weil er sich an mir gerächt hätte. Ich wollte keine Blutrache, aber er hätte sie gewollt. Alles, was ich getan habe, war, mein Leben zu verteidigen. « Shadhan schüttelte mit traurigem Lächeln den

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