Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Laufe des Tages färbten sich all ihre Blätter braun. Eines ist abgefallen. « In einer schlafwandlerisch anmutenden Bewegung hob er ein loses Blatt vom Boden und hielt es ihnen entgegen, als gelte es, seine Worte zu beweisen.
Favola sackte in Aelvins Arm zusammen, rutschte aus seinem Griff und stürzte. Aelvin fiel neben ihr auf die Knie, rollte sie auf den Rücken und schob eine Hand unter ihren Hinterkopf.
» Favola! « Seine Stimme hätte sich überschlagen müssen, doch es kam nur ein Flüstern. Er lockerte ihr Gewand am Ausschnitt. » Du musst wach bleiben! Hörst du mich? «
Mein Herz ist zu schwach, hatte sie einmal zu ihm gesagt. Irgendwann wird es einfach aufhören zu schlagen.
Shadhan regte sich nicht, sah nur zu, wie jemand, der einen sterbenden Käfer im Wüstensand betrachtet. Mit gelindem Interesse, ohne eine Spur von Leidenschaft.
» Ich hätte das Mädchen mitnehmen sollen «, sagte er. » Es war ein Fehler, sie bei euch zurückzulassen. «
Aelvins Kopf ruckte hoch, und er starrte Shadhan an wie ein Kettenhund, der einmal zu oft getreten worden war. » Du hast sie umgebracht! «
Shadhan erwiderte seinen Blick mit milder Verwunderung und schwieg.
Ein Husten kam über Favolas Lippen. Aelvin berührte ihre bleiche Wange mit dem Handschuh und sah wie betäubt zu, als eine seiner Tränen in die Vertiefung über ihrem Brustbein fiel.
» Komm schon «, flüsterte er. » Favola? … Kannst du mich hören? «
Flatternd hoben sich ihre Augenlider. » Aelvin? «
» Ich bin hier … Ich bin bei dir! «
» Aelvin … « Ihre Stimme verebbte wie ein Windstoß, der kurz den Sand aufwirbelt und dann im Nirgendwo verweht.
» O Gott, Favola! « Er presste eine Hand unter ihre link e B rust und versuchte, ihren Herzschlag zu ertasten. Vielleicht lag es an der dicken Kleidung, vielleicht fand er in der Aufregung auch nicht die richtige Stelle – aber er konnte nichts spüren.
Kein Herzschlag. Gar nichts.
Hasserfüllt blickte er zu Shadhan auf. » Sie stirbt … wegen dir! «
Shadhan schüttelte sachte den Kopf. Sein verwittertes Falkengesicht verzog keine Miene. » Sie ist krank. Jeder konnte das sehen, schon in Bagdad. «
» Aber die Lumina hat sie am Leben gehalten! « Aelvin hob sie vom Boden, stolperte mit ihr zum Feuer und legte sie neben der Lumina in den Sand. Hilflos nahm er ihre Hand und schob sie an die verwelkten Blätter der Pflanze. Die Lumina war tot, daran gab es gar keinen Zweifel. Sie war die ganze Reise über geschwächt gewesen, genau wie ihre Hüterin. Nun hatte auch sie alle Kraft verlassen. Es war aussichtslos.
» Vielleicht werden wir alle bald den Garten Gottes sehen «, sagte Shadhan müde. » Ich hatte gehofft, noch einmal von dort zurückzukehren. «
Aelvin hatte sich kaum noch unter Kontrolle. » Du trägst die Schuld an ihrem Tod! «
Er war nicht sicher, ob das die Wahrheit war. Die Reise hatte begonnen, lange bevor Shadhan darin verwickelt worden war. In seinem Kopf drehten sich die Dinge, die Bilder, die Gedanken zu sehr, als dass er noch mit Sicherheit hätte sagen können, wer wirklich eine Mitschuld an Favolas Tod trug. Gabriel von Goldau? Sein Meister, der Erzbischof? Vielleicht Albertus selbst? Favolas Eltern, die sie gezwungen hatten, ins Kloster zu gehen? Der Himmel mochte wissen, wie weit sich diese Kette aus Verhängnissen zurückverfolgen ließ.
Shadhan war nur ein einzelnes Glied, das letzte.
Aber Shadhan war hier. Er saß vor ihm und tat, als ginge ihn dies alles nichts an.
» Sie ist nicht die Einzige, die sterben wird «, sagte der Weise. » Dieser Stamm dort draußen in der Wüste hat meine Männer getötet. Ich denke, er wird auch mich töten. «
» Nein «, flüsterte Aelvin und legte Favolas Kopf sachte im Sand ab. » Ich denke, nicht. «
Mit einem Knurren sprang er über das leblose Mädchen hinweg und stürzte sich auf den Alten. Er hörte nicht mehr auf die Stimme in seinem Inneren, die ihn warnte. Shadhan hatte den Tod verdient. Er war ein heimtückischer alter Mann, der zahllose Menschen auf dem Gewissen hatte.
Nicht!, schrie es abermals in ihm. Tu das nicht!
Aber es war zu spät.
Shadhan hatte immer nur aus der Ferne getötet, mit den Händen anderer, durch List und Verrat und arglistige Einflüsterungen. Doch er war trotz allem ein Nizari.
Zu spät realisierte Aelvin, dass sein Angriff ein Fehler war.
Er prallte gegen den Alten, doch ehe er sich ’ s versah, hatte der ihn noch im Sprung zu fassen bekommen und schleuderte ihn in
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