Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Kopf. » Und da wir von Rache sprechen – warum hast du mich angegriffen, Junge? Ist es nicht Hochmut, über das Handeln anderer zu urteilen, wenn du selbst dich der gleichen Vergehen schuldig machst? «
    Aelvin blinzelte in Favolas Richtung. Er war jetzt ganz sicher, dass sie sich gerührt hatte. Ihre Hand lag verändert am toten Blattwerk der Lumina, und, Gott, ja, jetzt schob sie unendlich langsam ihren dürren Körper auf die Pflanze zu, darüber hinweg – und begrub sie unter sich.
    Er blickte wieder zu Shadhan. Der Nizari hatte nicht bemerkt, dass Favola noch lebte.
    Allmählich gewann Aelvins Vernunft wieder die Oberhand. Sein Wunsch, den Alten zu töten, verlor an Macht.
    » Aber wenn es Rache ist, um die es dir geht «, sagte Shadhan in diesem Augenblick, » dann wollen wir es eben zu Ende bringen. «
    Damit stürzte er sich Aelvin entgegen, ungleich behänder, als der es dem alten Mann je zugetraut hätte. Blitzschnell und lautlos glitt der Nizari auf ihn zu. Ein Schlag traf Aelvin vor die Brust, schleuderte ihn zwei Schritt zurück und ließ ihn taumeln. Da aber war Shadhan bereits abermals heran, und diesmal machte er eine so rasche Bewegung mit beiden Händen, dass Aelvin sie nur kommen sah, den Schmerz aber erst spürte, als er bereits am Boden lag.
    Wie ein Schemen, nur wehende Gewänder, rauschte Shadhan ein drittes Mal auf ihn zu. Er war über ihm und stemmte die Knie so fest auf Aelvins Oberarme, dass der einen gequälten Schrei ausstieß. Er bäumte sich auf, wollte sich wehren, doch das machte es nur noch schlimmer. Ein Ellbogen des Alten traf ihn unter der Brust, nahm ihm die Luft, und als er wieder denken konnte, spürte er die knochigen Hände des Nizari an seiner Kehle.
    Er hatte das Gefühl, etwas drängte von unten in seinen Schädel und brächte ihn zum Platzen. Er konnte nicht mehr atmen, sein Mund schnappte auf und zu, seine Füße schabten im Sand. Ihm wurde schwarz vor Augen, und ein hohe s P feifen tönte in seinen Ohren. Sein Brustkorb schien sich auszudehnen wie ein übervoller Wasserschlauch, und immer noch hockte Shadhan über ihm, jetzt zehnmal so schwer und so unbeweglich, als wäre er mit den Händen an Aelvins Hals zu Granit erstarrt.
    Noch etwas hörte er. Einen verzweifelten Schrei.
    Favola!
    Doch er bekam keine Luft.
    Favola schrie noch immer. Weit entfernt. Zu weit.
    Er erstickte.
    *
    Das Feuer war fast niedergebrannt, als Libuse das Wüstental erreichte. Sie sah ein winziges Glutnest in der eisgrauen Nacht, dann dunkle Umrisse, ganz in der Nähe, nur unzulänglich von den Sternen beschienen.
    Nichts regte sich dort unten.
    » Aelvin? «, rief sie vom Rand des Kraters aus. » Favola? «
    Niemand gab Antwort.
    Sie hatte lange gebraucht, viel länger, als sie gehofft hatte. Das Kamel hatte sie am Fuß des Steinriesen zurückgelassen, weil es seine Beine an den spitzen Bruchstücken im Sand verletzt hatte; den Weg zurück musste es sich allein suchen. Zu Fuß kam sie fast ebenso schnell voran, denn an einen Galopp war in diesem Gelände ohnehin nicht zu denken. Stattdessen war sie nun selbst über Felsen und Splitter gesprungen und wäre beinahe in das erste der vier Täler im Sand gestürzt. Das Blut rauschte in ihren Ohren, all ihre Sinne waren nur noch nach vorn gerichtet.
    Einmal hatte sie geglaubt, noch jemanden zu sehen, eine Gestalt, die sie in einiger Entfernung passierte und in entgegengesetzter Richtung verschwand. Doch als sie stehen geblieben war und sich umgeschaut hatte, war da niemand mehr gewesen. Nur bizarr geformte Steinbrocken, die man leicht für einen Menschen halten konnte, wenn einem die Luft ausging und das Herz in der Brust zu zerplatzen drohte.
    Sie kletterte über die Kante aus geschmolzener Sandschlacke, rutschte die steile Schräge hinunter und erreichte schließlich sicheren Boden. Dort rannte sie wieder, stürmte wie eine Wahnsinnige durch den Sand.
    Die glimmenden Holzreste reichten gerade aus, die beiden Gestalten zu erkennen, die gekrümmt am Boden lagen.
    » O nein «, flüsterte sie und sank neben ihnen auf die Knie.
    Beide lagen eng beieinander, als wären sie mit letzter Kraft aufeinander zugekrochen. Favola hatte einen Arm ausgestreckt, er ruhte auf Aelvins Brust. Daneben im Sand lag ein kleiner Dolch, sehr schmal und nadelspitz, an den Libuse sich erinnern konnte: Sie hatte ihn schon einmal bei Favola gesehen, vielleicht in Bagdad oder viel früher, und sie fragte sich, warum niemand daran gedacht hatte, als sie ihre Waffen in den Sand

Weitere Kostenlose Bücher