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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Män nern, die sich mit Kampfspielen und endlosen Schwertübungen warm hielten.
    Die Turgauden, Hulagus Leibwächter, bildeten einen engen Wall um das Zelt des Il-Khans. Die Krieger waren behelmt und schwer gerüstet, größer als die meisten Mongolen und bereits als Kinder dazu auserkoren, ihr Leben für das ihres Herrn zu geben. Sinaida kannte jeden von ihnen seit langen Jahren. Mit vielen hatte sie Übungen absolviert und sich – ehe Kasim dies übernahm – von ihnen die Feinheiten des Kampfes erklären lassen.
    Vor den Turgauden verharrte der Fremde. Falls er tatsächlich kraft seiner Blicke Macht über andere erlangen konnte, so schien er jetzt keinen Gebrauch davon zu machen. Er verbeugte sich und redete auf einen der Männer ein. Sinaida, die mit Kasim ein wenig abseits stand, beobachtete den alten Mann genau. Sie war ihm durchs Lager gefolgt, ohne sich zu erkennen zu geben, und sie hatte auch Kasim gebeten, sich fern zu halten. Sie wollte den Alten studieren, während er ungehindert durch die Tausendschaften feindlicher Krieger schritt. Sie wollte verstehen, wie es ihm gelang, solchen Mut aufzubringen.
    » Shadhan selbst wird ins Lager kommen, um die Eheverhandlungen zu führen «, hatte Kasim vor ein paar Stunden prophezeit, nachdem er den Signaldrachen hatte steigen lassen. » Er ist der Berater Khur Shahs und der weiseste Mann diesseits und jenseits der Berge. «
    » Du verehrst ihn «, hatte sie festgestellt.
    » Jeder Nizari muss ihn verehren, dann Shadhan ist der menschgewordene Geist unserer Gemeinschaft. «
    » Ich dachte, das wäre Khur Shah? «
    » Khur Shah ist das Schwert, der Muskel und der Mut der Nizaris. Shadhan ist ihr Kopf. «
    Sinaida sah den weisen Mann heute zum ersten Mal und spürte, dass sich hinter seinem unscheinbaren Äußeren meh r v erbarg als der Verstand eines brillanten Gelehrten. Da war nichts Böses – aber auch nichts Gutes – an ihm. Nur die sachliche Allmacht eines grenzenlos überlegenen Verstandes.
    Sie stand mit Kasim zwischen zwei Zelten und beobachtete den Berater des Nizariführers, wie er mit einer altersfleckigen Hand gestikulierte und auf den Obersten der Turgauden einredete. Es war ein Wunder, dass Hulagus Leibwächter ihn nicht längst in Ketten gelegt oder auf der Stelle getötet hatten.
    Allmählich bildete sich ein Pulk aus Kriegern um den Alten. Jeder andere wäre längst erschlagen worden. Shadhan aber stand einfach nur da, auf seinen Stab gestützt, und sprach ruhig mit dem Wächter.
    Sie wandte sich zu Kasim, der die Szene sichtlich nervös beobachtete. Ihr war nicht ganz klar, ob er Angst um Shadhan hatte oder aber davor, dass ein Angriff auf den Nizariweisen die Verhandlungen zunichte machen könnte, bevor sie noch begonnen hatten. » Er hat Zauberei benutzt, um so weit ins Lager zu gelangen «, sagte sie. » Ist das dieselbe Art und Weise, auf die eure Mörder Nacht für Nacht unsere Wachen überlisten? «
    » Keiner von uns ist ein Zauberer «, sagte Kasim. » Unsere Fähigkeiten kann jeder erlernen, der sie von Kind an einübt. «
    Sie deutete auf Shadhan. » Auch die seinen? «
    Kasim schwieg einen Augenblick zu lange, ehe er zögernd sagte: » Shadhan besitzt das Wissen der Götter. Er hat Schriften studiert, die kein anderer je gelesen hat, und er kennt die Geheimnisse der Menschen, wie sie nur einer kennen kann, der selbst kein Mensch ist. «
    Sie schauderte. » Shadhan ist kein Mensch? «
    » O doch, das ist er gewiss. Aber die Weisheit, die er verinnerlicht hat, stammt nicht von Menschen. «
    Nun wurde ihr wahrlich unheimlich zumute, und sie fragte sich zum tausendsten Mal, ob ihr Entschluss nicht ein Fehler gewesen war. Doquz hatte sie zunächst ausgelacht, dann beschimpft, schließlich geweint, als Sinaida ihr erklärte, was sie vorhatte. Hulagu selbst hatte einen Tobsuchtsanfall ohnegleichen bekommen und war brüllend aus dem Zelt gestürmt, um Kasim mit eigenen Händen zu töten. Doch Doquz und Sinaida war es gelungen, ihn zu beruhigen – Doquz nicht aus Überzeugung, sondern weil sie bereit war, alles für ihre jüngere Schwester zu tun. Auch, an ihren Fehlern teilzuhaben.
    Zu guter Letzt hatte Hulagu Sinaidas Wunsch zugestimmt, mit einem Gesandten der Nizaris zu verhandeln. Khur Shah würde sich in seine Hand begeben, das war Hulagus Bedingung, und er würde ihn und seine Befehlshaber die Kriegskunst der Nizaris lehren – dies war der Preis, den der Il-Khan für seine Schwägerin verlangte, und er fühlte sich dabei als Sieger.
    »

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