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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihren Spuren.
    Schließlich verlor er sie gänzlich aus den Augen, und auch ihre Fußstapfen waren im Unterholz immer schwerer zu erkennen.
    » Wo steckt sie? «, keuchte er und blieb stehen.
    Favola deutete bebend mit dem unverletzten Arm nach links. » Da drüben. Hinter den Bäumen. «
    Wieder bewegten sie sich in die Richtung des Waldmädchens. Sie war so verschwommen wie ein Geist, der vor ihnen zwischen den Stämmen dahinwehte. Albertus drängte von hinten zur Eile, aber Aelvin war viel zu sehr mit Favola und sich selbst beschäftigt, als dass er sich darüber hätte ärgern können. Für eine Weile rückte sogar Odos Tod in den Hintergrund. Nur weiter. Immer weiter.
    Unvermittelt trat Libuse hinter einem Baumstamm hervor. Sie hielt den Kopf gesenkt, sodass ihr langes rotes Haar vor ihr Gesicht fiel, als wollte sie nicht, dass irgendwer länger als nötig einen Blick darauf werfen konnte. Mit der rechten Hand deutete sie einen kurzen, steilen Hang hinab.
    » Da runter «, sagte sie und schlitterte voraus.
    Aelvin war nicht sicher, wie er Favola heil hinunterbringen sollte, doch sie kreuzte seinen Blick und deutete ein Nicken an: Ich schaffe das schon! Es war erstaunlich, wie viel Kraft dieses zerbrechliche Geschöpf in seinem kränkelnden Leib barg.
    Irgendwie kamen sie unten an, halb rutschend, halb kletternd, immer auf die Gefahr hin, im Schnee den Halt zu verlieren. Albertus fluchte und landete unsanft hinter ihnen.
    Die Senke, in die Libuse sie geführt hatte, hatte die Form einer leeren Nussschalenhälfte, durchzogen von einem Gewirr knotiger Wurzelstränge, die zu zwei mächtigen Eichen auf beiden Seiten der Vertiefung gehörten. Libuse wandte den anderen den Rücken zu, sank auf die Knie und legte ihre Hände auf die verschlungenen Wurzeln. Ihr Haar umgab sie wie ein dunkelroter Schleier, der sich von oben über sie gesenkt hatte. Aelvin fiel auf, dass an diesem Ort weit weniger Schnee lag als oberhalb der Hänge – sie musste das Zauberlicht hier vor kurzem schon einmal heraufbeschworen haben.
    » Was tut sie da? «, flüsterte Favola mit schmerzverzerrter Miene.
    Aelvin half ihr, sich zwischen den Wurzeln niederzulassen, und er wollte gerade antworten, als sein Blick auf eine weitere Gestalt fiel, die sich mit ihnen am Fuß der Senke befand, halb verborgen hinter einem Geflecht borkiger Stränge.
    Auch Albertus hatte den sitzenden Mann entdeckt, kletterte hastig hinüber und hockte sich neben ihn.
    » Corax … Allmächtiger Gott! «
    Libuses Vater schrak auf, sein rechter Arm wirbelte vor und schlug mit einem Schwert, das gerade noch neben ihm am Hang gelehnt hatte, nach Albertus. Der Magister konnte nur knapp ausweichen. Mit einem Zischen fegte die Klinge an ihm vorbei, nur eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt.
    » Wer ist da? «, brüllte Corax aufgebracht. » Libuse? Sind sie zurückgekommen? «
    Aber Libuse gab keine Antwort. Sie war bereits tief in ihre Beschwörung versunken.
    Corax, der mächtige Corax von Wildenburg, war ein geschlagener Mann. Um seinen Kopf lag eine breite Binde, die beide Augen bedeckte. Was sich darunter von seinen Wangen erkennen ließ, war schwarz, so als hätte er sich das Gesicht mit Ruß eingerieben.
    » Corax, ich bin es. Albertus. Dein Freund Albertus. «
    » Freund? « Corax ’ Stimme war ein einziges Grollen. Sein Körper mochte gelitten haben, doch sein Zorn und sein Wille schienen ungebrochen. » Dir, Freund, haben wir zu verdanken, was geschehen ist! Wie viel Unglück willst du noch säen? Erst die Nonnen … und nun meine Libuse … «
    Die Binde vor seinen Augen erwähnte er nicht. Doch es gab auch so keinen Zweifel, was geschehen war.
    Corax war blind.
    Geblendet von irgendetwas, das sein Gesicht verbrannt hatte – einer glühenden Schwertklinge vermutlich.
    » Ist er das gewesen? «, fragte Albertus leise. Er war zutiefst erschüttert. » Gabriel? «
    Der einstige Ritter sah noch einen Moment länger aus, als wollte er sich auf den Magister stürzen, doch dann sank er zurück und fiel regelrecht in sich zusammen. » Sie haben mich gezwungen, zuzusehen, wie sie Libuse Gewalt angetan haben … Und danach – «, er deutete auf seine Augen, » – das! Es sollte das Letzte sein, was ich in meinem Leben sehe. « Er stieß einen wütenden Schrei aus, der zwischen den Bäumen widerhallte, und schlug mit der Faust in den Schnee.
    Favola zupfte an Aelvins Ärmel. » Das Mädchen … sieh nur! «
    Aelvin fuhr herum. Er ahnte bereits, was er sehen

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