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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Du musst etwas tun «, flehte Kasim sie an, als beide mit ansahen, wie der Oberste der Turgauden die Spitze seiner Schwertlanze gegen die schmächtige Brust Shadhans legte. Der Tonfall des Kriegers war unvermindert ruhig – es geziemte sich nicht, in der Nähe des Heerführers zu brüllen, nicht einmal wenn es galt, einen Feind abzuwehren.
    Mit herrischer Gebärde trat Sinaida zwischen den Turgauden und den Nizarigelehrten, drückte barsch die Lanzenspitze hinunter und sagte zu dem Wächter: » Dieser Mann ist ein Freund und darf passieren. Der Il-Khan erwartet ihn. « Sie holte unmerklich Luft, bevor sie die nächsten Worte aussprach: » Er ist ein Gesandter meines Bräutigams. «
    Shadhan lächelte.
    DIE BLINDHEIT EINES KRIEGERS
    A l s Favola zusammenbrach, getroffen von einem Pfeil aus dem Schneetreiben, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
    Aelvin sah sie stürzen und stieß einen Schrei aus, der sogleich von einem anderen Laut übertönt wurde – dem mörderischen Brüllen eines Ungeheuers, das unvermittelt aus dem Unterholz brach und wie ein schwarzer Gott der Wälder über den Schnee auf sie zuraste.
    Da war Aelvin bereits bei dem Mädchen und beugte sich schützend über sie, viel schneller als Albertus, der etwas rief und nun reichlich hilflos dastand und unentschlossen von der herandonnernden Bestie zurück zur Schlucht und zum zerstörten Aquädukt blickte, wohl in der Erwartung weiterer Pfeile von der anderen Seite des Abgrunds.
    Fassungslos blickte Aelvin auf und sah dem Tier entgegen, einem riesenhaften Keiler mit struppigem Pelz und Hauern so groß wie gebogenen Schwertern. Wie ein Unwetter tobte er auf sie zu, die Schneedecke vibrierte, und zwischen all seinen panischen Gedanken, die um die leblose Favola kreisten, schlich sich die Frage in Aelvins Verstand, ob die Felskante diesen Erschütterungen standhalten oder womöglich der zerstörten Wasserleitung hinab in die Tiefe folgen würde.
    Dann aber ertönte von irgendwo ein weiterer Ruf, und abrupt wurde der Keiler langsamer. Die rabenschwarze Monstrosität, größer als ein Mensch und breiter als zwei Männer nebeneinander, blieb unverhofft stehen, schnaufte dampfend aus seinem fleischigen Rüssel und blickte aus Augen wie Kohlestücken zu Aelvin, Favola und dem Magister herüber.
    Aus der wirbelnden Schneemauer trat eine schmale Gestalt.
    » Hierher! «, rief sie. » Kommt hier herüber! « Sie winkte ihnen zu und zog sich gleich wieder zurück in das weiße Flockenchaos. Als Aelvins Blick zurück zu dem Keiler zuckte, war auch dieser verschwunden, zerstoben zu Eis und Wind und beißender Kälte.
    Favola stöhnte leise, und endlich konnte er sich die Zeit nehmen, ihre Verletzung genauer zu betrachten. Der Pfeil steckte in ihrer linken Schulter, neben einem der beiden Lederriemen, die das Bündel mit der Lumina auf ihrem Rücken hielten. Die Spitze war komplett in ihrem Körper verschwunden, und mit ihr ein Stück vom Schaft. Aelvin wurde schlecht bei dem Anblick, aber zugleich war er unsagbar erleichtert, dass Favola lebte, ja, dass sie jetzt sogar die Augen aufschlug und trüb zu ihm aufblickte. Er wollte ihren Oberkörper in seinen Schoß betten, als eine Hand ihn an der Schulter packte und fortzog. Mit einem Keuchen fiel er rückwärts in den Schnee, während Albertus mit wehendem Gewand neben Favola in die Hocke ging, die Wunde untersuchte und beruhigend auf das Mädchen einredete. Seine Hände wühlten unter seinem Mantel, zogen einen flachen Lederbeutel hervor und ließen ihn in den Schnee fallen.
    » Aelvin! «, rief er. » Halte ihren Kopf. «
    Aelvin kroch zu den beiden zurück, legte sanft beide Hände unter Favolas Kapuze und hob ihren Hinterkopf leicht an.
    » Steck ihr den Saum deines Umhangs in den Mund «, befahl Albertus.
    » Was? «
    » Tu, was ich dir sage! «
    Unsicher zerrte Aelvin einen Zipfel seines Mantels hervor, klopfte den Schnee ab und schob ihn nach einem letzten Zögern zwischen Favolas Lippen. Sie ließ es sich gefallen, biss fest zu und schloss die Augen.
    Albertus legte die linke Hand flach auf Favolas Schulter, packte mit der Rechten den Pfeil und zog ihn mit einem kräftigen Ruck aus der Wunde. Favolas Schrei wurde von dem Stoff in ihrem Mund gedämpft, und dann presste sie die Kiefer so fest aufeinander, dass Aelvin die Fasern des Mantels knirschen hörte. Ein paar Blutstropfen spritzten auf den weißen Schnee, als Albertus den Pfeil zur Seite warf. Mit geübten Fingern entblößte er Favolas weiße Schulter,

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