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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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Er versuchte die salbungsvolle Stimme de Gruiters nachzuahmen.
    „Dann wirst du neben Slofstra sitzen.“
    „Alles lieber als de Gruiter.“
    Beerta zuckte mit den Achseln. „Gut. Tu, was du willst. Ich werde dich nicht zwingen.“
    *
    „Ach“, sagte Hendrik Ansing, „das ist schon so unheimlich lange her. Ich kann mich kaum noch erinnern.“ Er legte seinen Unterarm auf den Tisch, der ihm als Arbeitsplatz zugewiesen worden war, und richtete sich auf. Er trug ein altes, zu enges Jackett mit großen Karos sowie eine unordentliche Krawatte, über der der oberste Hemdknopf offenstand, weil sein Hals zu dick war. Er hatte ein unscheinbares, bäuerliches Gesicht mit kleinen, müden Augen, als sei er sehr spät ins Bett gegangen. Maarten saß ihm gegenüber. Van Ieperen hörte aus der Entfernung mit; er stand hinter seinem Zeichentisch.
    „Wie lange denn?“, fragte Maarten.
    „Drei Jahre. Ich korrigiere: vier Jahre.“
    „Das ist lange“, gab Maarten zu.
    „Kurz gesagt ging es darum“, sagte Ansing laut, während er in seinen Erinnerungen kramte, „dass wir für die Untersuchung von einem der Assistenten Springvloeds einen Satz bilden sollten, in dem das Wort
vorerst
vorkam. Ich habe dann geschrieben“, er runzelte die Stirn in einer äußerster Anstrengung, präzise zu sein: „
Ich hörte soeben, dass unser Professor unter die Straßenbahn gekommen ist. Vorerst gehe ich davon aus, dass er es nicht überlebt hat
. Und darunter:
Hendrik Ansing
. Die Sätze sollten zwar eigentlich anonym bleiben, aber ich fand das kindisch.“
    Maarten lachte. Van Ieperen kicherte. Doch Hendrik Ansing schien die Erinnerung nicht amüsant zu finden, eher läppisch. „Da haben sie dann einen gewaltigen Schreck bekommen, scheint es, und“, er legte seine Hände auf die Brust und beugte sich für einen Zwischensatz etwas nach vorne, „– so wurde mir erzählt – am selben Abend noch Springvloed angerufen. Der war damals in der Schweiz und hat mich dann für ein Jahr vom Studium ausgeschlossen. Ehrlich gesagt, fand ich das alles etwas übertrieben.“
    „Ganz schön übertrieben“, sagte Maarten amüsiert.
    „Aber hat es mich umgehauen?“
    „Nein!“
    Sie schwiegen.
    „Wie lange bist du jetzt hier?“, erkundigte sich Ansing.
    „Fast drei Jahre.“
    Sie schwiegen erneut.
    „Ich kannte Beerta von früher“, erklärte Maarten, „aus meiner Studentenzeit. Als wir eines Abends bei ihm zu Besuch waren, sagte er, dass er diese Stelle hier für mich hätte.“
    Ansing zeigte keine Überraschung. „So ist es mir auch ergangen.“
    „Hast du Seminare bei ihm besucht?“
    „Ja.“
    „Fakultativ!“
    „Ja.“
    „Zu meiner Zeit waren sie obligatorisch, aber nach der Sache mit Pietje Valkenburg sind sie fakultativ geworden.“
    „Oh, davon weiß ich nichts“, sagte Ansing und richtete sich auf. Er zeigte keine Spur von Interesse.
    Sie schwiegen.
    „Ich kannte Beerta über einen Freund von mir“, erinnerte sich Maarten. „Der war öfter bei ihm zu Hause, nachdem er ihn in einem Jugendlager kennengelernt hatte, das Beerta leitete, kurz nach dem Krieg.“
    „Ich kannte ihn über Pfarrer Visser.“
    „Pfarrer Visser?“, fragte Maarten erstaunt.
    „Ja, das war so: Mein Vater hatte Angst, dass ich in Amsterdam an die falschen Freunde geraten würde, und hat Pfarrer Visser gebeten, auf mich aufzupassen. Der hat mich dann zu Herrn Beerta weitergeschickt, weil ihn solche Fälle interessierten.“ Es war keine Spur von Ironie in seiner Stimme.
    „Und Anton fand das natürlich prima“, sagte van Ieperen hinter seinem Zeichentisch und kicherte.
    „Wie ist dein Vater denn an Pfarrer Visser gekommen?“, fragte Maarten, van Ieperens Bemerkung ignorierend.
    „Mein Vater ist Pfarrer. Ja“, er legte seine Hand auf die Brust, „aber nur ein einfacher Dorfpfarrer.“
    Maarten lachte. „Ganz schön verrückt.“
    „Ach“, sagte Ansing. Es war deutlich, dass er nicht verstand, was daran verrückt sein sollte.
    *
    Gut ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten Ausgabe des niederländisch-flämischen Atlas für Volkskultur erschienen fast zeitgleich die ersten Kritiken, eine von Wolf Güntermann in einer deutschen Zeitschrift und eine von Professor Dr. G. J. Pieters in
Ons Tijdschrift
, deren Redakteur er zusammen mit Beerta war. Güntermann zeigte sich von der Veröffentlichung angetan, bedauerte aber, dass die Redaktion beschlossen habe, nur die positiven und nicht die negativen Antworten in die Karten aufzunehmen, und

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