Das Büro
mir“, sagte er und griff dabei unwillkürlich nach seiner Innentasche.
„Ich gebe dir meine Bankverbindung. Hast du mal ein Stück Papier?“
Maarten zog widerwillig die Schreibtischschublade auf und gab ihm ein Blatt Schmierpapier.
„Hast du auch einen Stift?“ Er schnippte ungeduldig mit den Fingern.
Maarten gab ihm seinen Stift und sah machtlos zu, während Balk seine Kontonummer aufschrieb. „Zweihundert Gulden sind genug. Du kriegst sie zu gegebener Zeit zurück. Danke!“
Das Lächeln war verschwunden. Er wandte sich ab und verließ den Raum ebenso gehetzt wie er gekommen war. Maarten blieb gedemütigt zurück. Er sah widerwillig auf den Zettel, faltete ihn langsam zusammen und steckte ihn in seine Brieftasche. Herrgottnochmal, dachte er. Er fühlte sich bedroht, ein Gefühl, das den ganzen Tag anhielt und ihn an seiner Arbeit hinderte.
*
Lieber Maarten,
Insgesamt muss ich fünfzehn Briefe schreiben. Zwei sind schon fertig, verzweifelte Briefe. Ich glaube, dass ich jetzt eine Stinklaune habe, also ist es die richtige Gelegenheit, euch zu schreiben.
Aber, aber, höre ich dich sagen, das werden wir uns jetzt erst mal genau anschauen. Aber in deinem Hinterkopf regt sich die Frage, warum. Verstehe ich gut, brauchst dich dafür nicht zu schämen. Die Art, wie du deine Gefühle verbirgst, kenne ich inzwischen. Das darf ich ruhig behaupten, denn du hast auch so getan, als ob du mich durchschaust, Pardon – durchschaut hattest. So verstehen wir uns also gegenseitig (auf sprachliche Fehler habe ich rechtzeitig hingewiesen).
Du trinkst deswegen nicht einen Schnaps weniger, nicht wahr, und isst dein Stückchen Käse dazu.
Junge, Junge, was ist das Leben doch für ein Scheiß. Na ja, ein bisschen arbeiten, etwas essen und abwarten. Schau, wie sie laufen und sich zu Tode streben. Da gibt es doch tatsächlich noch einen, der glaubt, dass er leidet. Aber das muss er ja selber wissen. Heute oder morgen verkriecht er sich bestimmt in eine Ecke. Oder er geht daran zugrunde. Muss er ja selber wissen. Da lässt sich nichts machen. Ja, wenn man genau hinsieht, kann man was zu sehen bekommen und lachen. Man muss nur dafür sorgen, dass man einen sicheren Beobachtungsposten hat.
Da schaut man dumm aus der Wäsche, wenn einfach so ein Kater in dein Haus eindringt. Einfach symbolisch, ein solcher Kater in deinem Haus. Bei mir wäre letzte Woche fast einer gewesen. Nein, nicht symbolisch, sondern in Wirklichkeit. Und nicht schwarzweiß, sondern rot. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre in meinem Zimmer zerplatzt. Stell dir vor, all die Blutspritzer auf der Tapete. Das wäre eine schmierige Angelegenheit.
Und da sitzt man mit all seinen Büchern und meint, das Bücherlesen überstanden zu haben. Deshalb bleibt man sitzen: um die eigenen Sachen zu bewachen, unter dem Motto: Bewahre das dir anvertraute Pfand.
Übrigens sitze ich hier und bin noch viel mehr eingesperrt als du. Nein, nicht darum. Es ist nicht wie in der Tiefsee. Nein, diesen Druck können die Lungen schon vertragen.
Nein, Zarathustra beispielsweise hat sich grundsätzlich geirrt. Als er die Berge hinabstieg, hätte er zerspringen müssen. Siehst du, dann hätte es nur eine Explosion gegeben, kein Buch, und anschließend Totenstille.
Aha, du vermutest schon viel. Ja, es wird auch eine Zeit kommen, in der man mit dem Leben nicht mehr hinter dem Berg halten muss. Dann schmeißt man es einfach irgendwo hin, und dann sagt man (man = sage ich so zu mir selbst): Sehr schön, das ist wenigstens überstanden. Du merkst schon, dass ich diese Schikanen doch nicht lange ausgehalten habe. Ich habe mich nur über dein Gekläffe geärgert. So wie der Hund meines Großvaters. Nie machte er das Maul auf, bis auf das eine Mal, als in einer Schlachterei ein paar Artgenossen von ihm hingen. So jedenfalls mein Großvater.
Du findest natürlich, dass ich mich anstelle bei dem, was ich schreibe. Hast Recht damit. Ich versuche dir jedoch im selben Ton zu antworten, nur ein bisschen härter, denn du hast mir voraus, dass du ein dickeres Fell hast. Übrigens liegt mir das Unverfrorene nicht. Nein, es lässt sich auch nicht durchhalten, sanft zueinander zu sein. Fast alle Möglichkeiten sind abgeschnitten. Es ist besser, rechtzeitig Schluss zu machen.
Lieber Maarten, ich habe in mein Tagebuch mehrere Seiten lang mein Erstaunen und meine Wertschätzung und auch wohl meine Ablehnung auf fast jungenhafte Weise über dich geschrieben. Das bleibt so. Auch Nicolien
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