Das Büro
von draußen aus der Stille draußen wieder die Katze, doch jetzt war es kein Kreischen wie eben, sondern ein langgestrecktes, klägliches Jammern, wie das Weinen eines Kindes.
„Da ist es wieder“, sagte sie.
Er war schon aus dem Bett und zog sich wieder hastig an.
Sie hatte sich aufrecht hingesetzt. „Was kann das bloß sein?“, fragte sie besorgt.
Das Jammern hielt an, nahezu ohne Unterbrechung, auch noch, als er wieder draußen stand und die Tür hinter sich zuzog. Es kam von links, von der Egelantiersgracht. Er ging in diese Richtung. Als er die Brücke hinaufging, sah er auf der gegenüberliegenden Seite im Nebel und dem Licht einer Laterne einen Mann hin- und herlaufen. Im selben Moment sah er an der Wand des Eckhauses die Katze liegen, eine schwarzweiße Katze. Sie lag auf einer alten Decke und jammerte erbärmlich. Der Mann blieb stehen. Er trug eine Postbotenuniform.
„Was ist mit der Katze?“, fragte Maarten, nicht besonders freundlich.
„Die habe ich aus dem Wasser geholt“, antwortete der Mann schuldbewusst.
„Ich nehm sie mit.“
„Vielen Dank“, sagte der Mann. Er wandte sich ab und ging.
Maarten hob die Katze hoch. Sie war triefnass. Das Jammern ging in ein leises Wehklagen über, als Maarten sie nach Hause trug. Die kläglich wimmernde Katze gegen die Brust gedrückt, betrat er die Wohnung. „Da hast du deine Katze“, sagte er. Er hatte plötzlich Tränen in den Augen.
„Oh.“ Sie war aus dem Bett gekommen und nahm ihm die Katze ab. „Wie nass sie ist!“
„Sie hat in der Gracht gelegen.“
„Komm mal mit.“ Sie ging in das hintere Zimmer. Das Wimmern war zu einem leisen Weinen geworden. „Nimmst du sie kurz?“ Sie gab ihm die Katze zurück und bückte sich, um den Ofen zu schüren. Danach holte sie ein Handtuch aus dem Schrank. Sie hockte sich vorden Ofen, legte die weinende Katze auf den Boden und hielt sie fest, doch sie wehrte sich nicht, auch nicht, als sie sie mit dem Handtuch abzureiben begann. Es war eine noch junge, jedoch sehr lange, grob gebaute Katze mit viel Weiß. Sie zitterte vor Kälte und vielleicht auch vor Angst.
„Sollen wir den Heizstrahler nicht auch noch dazustellen?“, schlug er vor.
„Ja, mach das ruhig“, sagte sie, ohne mit dem Reiben aufzuhören.
„Wie ist sie bloß in die Gracht geraten?“, sagte sie, als er den Heizstrahler hingestellt hatte.
„Vielleicht hatte sie Durst.“
„Und wie ist sie dann wieder herausgekommen?“
„Ein Postbote hat sie herausgeholt.“
„Wie nett von dem Mann.“
„Ja.“ Er dachte an das kurze Gespräch und fühlte sich schuldig.
„Hast du dich bei ihm bedankt?“, fragte sie, als erriete sie seine Gedanken.
„Nein, er hat sich bei mir bedankt.“
„Aber du musst dich bei so jemandem doch bedanken!“ In ihrer Stimme lag Entrüstung.
„Ja, natürlich.“
Sie legte die Katze auf die andere Seite. Unter ihr hatte sich eine nasse Stelle auf der Matte gebildet. Das Wimmern war verstummt. Sie fing in der Wärme des Ofens sogar ein wenig an zu schnurren. „Hol mal ein Tuch“, sagte sie. „Am besten eine Moltondecke.“ Mit seinen Gedanken bei dem Postboten suchte er eine Decke und wurde das unbefriedigende Gefühl nicht los, falsch gehandelt zu haben und es nicht wiedergutmachen zu können.
*
„Wie geht’s der Katze?“, fragte Hendrik Ansing. Er stand an Maartens Schreibtisch.
„Die Katze stirbt“, antwortete Maarten. „Sie isst und trinkt nicht und muss ständig Spritzen gegen den Flüssigkeitsverlust bekommen.“
Ansing hörte schläfrig zu. Sein Gesicht zeigte keinerlei Reaktion.
Maarten sah an ihm vorbei in den Garten.
„Ich habe von Bart gehört, dass er geht“, sagte Ansing.
Maarten nickte.
„Hast du schon jemand anderen?“
„Vielleicht einen Freund von Bart.“ Er sah auf. „Wieso?“
„Dann will ich nichts gesagt haben.“
„Weißt du vielleicht jemanden?“
„Ein Mädchen, das ich kenne – sie studiert Niederländisch –, sie würde hier gern arbeiten.“
„Ein nettes Mädchen?“
„Das weiß ich doch nicht. Das ist zu persönlich.“
„Ist sie denn zuverlässig?“
„Bestimmt.“
„Bitte sie doch, mal vorbeizukommen.“
„Aber ich will diesem Freund von Bart keinen Knüppel zwischen die Beine werfen.“ Er legte die Hand auf die Brust.
„Nein, lass sie mal vorbeikommen. Wie heißt sie?“
„Annechien Rensink.“
„Annechien Rensink“, wiederholte Maarten, sich den Namen einprägend.
Sie schwiegen.
„Womit bist du gerade
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