Das Büro
„Du musst immer einen Fuß in der Tür behalten.“
„Aber jetzt weiß er nur, dass das, was wir tun, nichts wert ist.“
„Das denkst
du
“, sagte Beerta. „Was hängenbleibt, ist, dass er mit uns rechnen muss. Darum geht es.“
*
Endlich war es Beerta gelungen, das Ein-Mann-Büro aus dem hinteren Teil des Gebäudes zu bekommen, so dass es bereits am folgenden Tag von Wiegel und Nijhuis bezogen werden konnte. Maarten konnte sie reden hören, oder vielmehr, er hörte Wiegel reden und verschmitzt kichern, woraus sich schließen ließ, dass Nijhuis wieder einmal kurz an seinem Platz war. Die Ecke hinter dem Regal im ersten Raum mit dem Schreibtisch von Veerman wurde Hein de Boer zugewiesen und war damit zu einer Art Dependance der Abteilung Volkskultur geworden. Die Registraturschränke mit den Ausschnitten waren stehengeblieben, wo sie immer gestanden hatten, in Erwartung eines Nachfolgers für Veerman, der von Beerta, trotz der Proteste Fräulein Haans, beim Sozialamt der Stadt beantragt worden war. Fräulein Haans Einwand war vor allem, dass Arbeitnehmer, die vom Sozialamt kämen, undiszipliniert seien – sonst wären sie nicht beim Sozialamt gelandet – und dadurch Unruhe verursachten. Beerta war jedoch der Meinung, dass man sie dann eben disziplinieren müsse und eine nicht ganz vollwertige, aber kostenlose Arbeitskraft immer noch besser sei als überhaupt keine. „Ich bin nun mal ein sparsamer Mensch“, war sein letztes Argument, und damit musste sie sich abfinden.
„Wer soll den Neuen eigentlich einarbeiten?“, fragte Maarten, als er festgestellt hatte, dass Wiegel die Schränke nicht in sein neues Zimmer mitgenommen hatte.
„Das musst du mit Wiegel ausmachen“, sagte Beerta. „Bis jetzt hat er das immer gemacht, aber ich bin mir nicht sicher, ob er es auch in Zukunft tun wird.“
„Können Sie ihn dann nicht besser fragen?“
„Das Verhältnis zwischen Wiegel und mir ist momentan etwas schwierig. Es ist besser, wenn du das selbst machst.“
Maarten sah dem mit Schrecken entgegen. Er fühlte sich nicht in der Position, Wiegel Aufträge zu erteilen, und er hatte auch keineLust, ihn um einen Gefallen zu bitten. Deshalb verschob er das Gespräch von einem Tag auf den anderen, in dem Bewusstsein, dass der kleine Rest Verantwortungsgefühl, den Wiegel vielleicht noch für die Schränke empfand, jeden Tag kleiner wurde. Um dem Aufschub einen Anschein von Rechtfertigung zu geben und wohl auch, um sich daran zu gewöhnen, dass er selbst künftig die Schränke am Hals haben würde, ging er sie eines Nachmittags zusammen mit Hein de Boer durch. Vorne im ersten Schubfach fanden sie den Durchschlag eines Briefs von Veerman an Beerta. Veerman hatte ausgerechnet, wie oft er sich täglich beim Einstecken neuer Ausschnitte bücken musste beziehungsweise knien, aufstehen, ziehen oder drücken, und er fragte Beerta, ob er, aufgrund der astronomischen Zahlen, auf die er kam, eine Ahnung davon hätte, welche körperlichen Anstrengungen das erforderte. Was er damit erreichen wollte, wurde nicht klar, da die zweite Seite des Briefs, wahrscheinlich durch ein falsch eingelegtes Kohlepapier, unbeschriftet geblieben war, doch es lag auf der Hand, dass er um einen Gehaltszuschlag gebeten hatte. Hinter dem Brief steckte eine völlig zerfledderte Inhaltsangabe, die in groben Zügen dem Handbuch folgte. Danach kam eine chaotisch eingesteckte, kreuz und quer hängende Masse an Mappen, manche mit in schwarzer Tinte kalligraphierten Aufschriften, in denen Maarten die Handschrift Wiegels erkannte, andere von Veerman mit einem dicken, blauen Buntstift wild beschriftet. In den untersten zwei Schubfächern schließlich lagen große Stapel noch nicht einsortierter Ausschnitte, die durch das Auf- und Zuschieben bis in die hintersten Ecken gerutscht waren und fast bis an den oberen Rand reichten.
„Na“, sagte Hein, als er den Inhalt der Schubfächer sah. Er lachte genüßlich. „Da wird der neue Herr Kollege wohl einiges zu tun haben.“
Maarten nahm den zuoberst liegenden Ausschnitt vom Stapel und sah ihn sich an. Es ging um einen Gerichtsprozess gegen einen Mann, der beschuldigt wurde, eine Katze misshandelt zu haben.
Hexenglaube?
stand in großer blauer Krakelschrift quer über dem Text. „Und wie bringt man ihm bei, das zu rubrizieren?“ Er reichte Hein den Ausschnitt.
Hein sah ihn sich an. „Keine Ahnung.“ Er gab ihn lachend zurück. Es schien ihn zu amüsieren.
Wiegel saß an seinem Schreibtisch. Er
Weitere Kostenlose Bücher