Das Büro
auf ihren Plätzen. Meierink, Wiegel und Nijhuis standen in der hinteren Ecke und unterhielten sich, Wiegel mit derHand auf Veermans Schreibtisch gestützt. Maarten gesellte sich zu ihnen. „Und was niemand weiß“, sagte Wiegel ernst und wandte sich Maarten zu, „ist, dass er sich 1936 geweigert hat, bei den Olympischen Spielen in Berlin anzutreten, einer von ganz wenigen! Obwohl er doch sicher eine Bronzemedaille geholt hätte.“
„Das wusste ich nicht“, sagte Maarten.
„Das wusste ich auch nicht“, sagte Meierink träge.
Nijhuis lehnte sich an das Regal, mit dem Kopf nach hinten gegen den Pfosten, und sah wortlos zu.
„Das weiß keiner“, wiederholte Wiegel. „Denn wenn es
einen
bescheidenen Menschen gegeben hat, war er es. Daran können wir uns alle ein Beispiel nehmen.“ Er blickte Maarten starr an, als ob er ihn damit im Besonderen meinte.
*
Veerman wurde auf dem Ostfriedhof begraben. Außer de Bruin, van Ieperen und Fräulein Haan fuhren sie alle mit der Straßenbahn dorthin, Beerta in einem dunklen Mantel und einem schwarzen Filzhut, die anderen in ihrer Alltagskleidung. Nicht weit vom Eingang entfernt fuhr Fräulein Haan mit ihrem kleinen Auto hupend an ihnen vorbei.
„Deetje hat sich einen Renault gekauft“, stellte Nijhuis fest.
„Und sie hat ihn ‚Bär‘ genannt“, sagte Wiegel, verstohlen lächelnd.
„Nach mir also“, bemerkte Beerta schmunzelnd.
Die so besiegelte Vertraulichkeit von Männern unter sich, gemeinsam auf einer wichtigen Mission, wuchs noch, als sie Fräulein Haan am Eingang des Friedhofs mit einem Polizisten bei ihrem Auto antrafen, auf einem Platz, wo sie nicht hätte parken dürfen. Mit einiger Schadenfreude warteten sie in gebührender Entfernung auf sie, bis sie sich ihnen anschloss. Unmittelbar darauf fuhren der Leichenwagen und ein einziges Begleitfahrzeug langsam in den Friedhof ein. Aus dem Begleitfahrzeug stiegen drei Frauen. Zwei von ihnen waren verschleiert, in der dritten erkannte Maarten die Zimmerwirtin. Sonst war niemand da. Langsam gingen sie hinter der Bahre mit den drei Frauen durch die stillen Alleen zum äußersten Ende des Friedhofs, woein Grab ausgehoben worden war. Es war einer der ersten Frühlingstage, fast windstill, mit einem fahlen Sonnenlicht. Die Bäume waren noch kahl, doch über den Sträuchern lag ein zarter Hauch von Grün, und von überall her zwitscherten und trällerten Vögel. Dazwischen war das Geräusch ihrer Schritte zu hören. Während sie sich in einem Kreis rund um das Grab aufstellten, traten die beiden verschleierten Frauen vor und begannen laut zu wehklagen, wobei sie sich auf die Brust schlugen. Maarten beobachtete es, ohne es zu verstehen, und sah auf den Sarg mit Veerman, auf dem ein Strauß Blumen lag. Als die Frauen zurücktraten, drängte plötzlich Veen nach vorn und legte hastig noch eine weiße Tulpe zu dem Strauß. Seine Umhängetasche trug er in der anderen Hand. In der Stille, die darauf folgte, war aus der Ferne das Rauschen des Verkehrs auf dem Middenweg zu hören. Maarten blickte auf den Sarg. Er sah Veerman vor sich, wie er sich auf dem Dam von ihm abgewandt hatte, und das Gefühl drang zu ihm durch, dass er sehr einsam gewesen sein musste. Der Bestattungsunternehmer trat vor und fragte, ob noch jemand das Wort ergreifen wolle. „Ja“, sagte jemand, in dem Maarten im nächsten Augenblick die Zimmerwirtin erkannte. „Wo sind meine Blumen? Ich habe Blumen zur Leichenhalle schicken lassen, und die sind nicht da!“
„Herrlich!“, flüsterte Balk, der neben Maarten stand. „Wie in einer Schmierenkomödie.“
Der Bestattungsunternehmer schien einen Augenblick lang nicht ganz Herr der Situation zu sein. Er wandte sich einem der Träger zu, es wurde geflüstert. Dann kehrte er an seinen Platz zurück. „Wir werden der Sache nachgehen, meine Dame“, sagte er.
„Davon hab ich nichts!“
„Es tut uns leid. Da muss etwas schiefgegangen sein.“
Sie ließ es empört dabei bewenden.
Es wurde keine Trauerrede gehalten. Zwei Träger ließen den Sarg in die Grube hinab. Während die kleine Gruppe sich auf den Rückweg machte, trat Frans Veen an den Rand des Grabes und machte eine verlegene Handbewegung, wie zum Gruß.
Am Ausgang stieg Beerta zu Fräulein Haan ins Auto, wobei er mit seinem Hut gegen das Dach stieß. Sie blieben stehen und sahen zu.Beerta rückte den Hut wieder gerade, Fräulein Haan startete den Motor. Als sie wegfuhren, hob Beerta lächelnd die Hand. Die Stille des Vormittags und
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