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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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Konnte natürlich sein. Aber Oleg hatte so gar nichts Russisches an sich. Er war ein bisschen pummelig, hatte lockiges braunes Haar und ein rundes, gerötetes Gesicht. Er wirkte ziemlich harmlos, fand Luk, und er fragte sich unwillkürlich, wie so einer hier in diesem Erziehungscamp landen konnte. Aber im Moment starrte Oleg düster vor sich hin und schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein.

    Mike kam zu ihnen herüber. »Oleg und Sascha, ihr zeigt Luk, was er zu tun hat.«
    Sascha war dünner als Oleg. Aber davon durfte man sich nicht täuschen lassen. Luk sah die Muskeln unter dem Overall. Sascha hatte etwas Lauerndes im Blick. Entweder war er im Sommer viel in der Sonne gewesen oder seine Haut hatte von Natur aus einen dunkleren Ton. Vielleicht war ein Asiate unter seinen Vorfahren gewesen. Seine Augen waren ziemlich schmal. Herausfordernd musterte er Luk.
    »Also los«, sagte er und hob entschlossen seinen Spaten. »Bringen wir es hinter uns.«
    Luk wusste nicht, ob Oleg und Sascha jetzt sozusagen seine Vorgesetzten waren und ihn zu Liegestützen verdonnern konnten. Aber er hatte nicht die geringste Lust, das auszuprobieren.
    Sascha stocherte mit seinem Spaten neben dem gewaltigen Baumstumpf im Boden herum. Er musste eine ganze Weile suchen, bis er eine Stelle fand, an der er nicht sofort auf Widerstand stieß. Dort rammte er den Spaten tief in die Erde und begann die Wurzel freizulegen. Die Erde schleuderte er so weit weg, dass sie etwa zwei Meter entfernt aufkam.
    Oleg stieß Luk an und zeigte auf die andere Seite des Stumpfes. »Du fängst dort an.«
    Zum Glück war der Boden nicht sonderlich hart. Man brauchte nicht viel Kraft beim Graben. Luk achtete vor allem darauf, dass er mit seinen bloßen Füßen nicht auf Holzstücke oder scharfkantige Steine trat.
    »He, nicht gleich so tief!« Oleg hatte sich neben ihm aufgebaut. »Mann, so wird das nichts. Du musst erst mal die obersten Wurzeln freilegen, du Blödmann.«
    Luk stieg aus seinem Loch und sah zu Sascha hinüber. Der hatte an einer dicken Wurzel entlanggegraben und sie etwa
zwei Meter weit freigelegt, bis zu der Stelle, an die er die Erde geworfen hatte. Jetzt grub er schon an der nächsten Wurzel.
    Oleg hob die Axt hoch über seinen Kopf und ließ sie auf das Wurzelende runtersausen. Man sah sofort, dass er das nicht das erste Mal machte. Zielsicher traf er. Aber das Holz war so zäh und elastisch, dass es unter dem Schlag nachgab. Fünfmal musste Oleg zuschlagen, dann gelang es ihm endlich, die Wurzel zu durchtrennen.
    Sascha hatte die ganze Zeit nicht ein einziges Mal hochgeblickt. Unbeirrt grub er weiter an der nächsten Wurzel.
    Luk beschloss, einen Zahn zuzulegen. Er durchschaute das System noch nicht ganz. Womöglich gab es auch bei den Fällarbeiten irgendwelche Tempovorgaben. Wer nicht rechtzeitig fertig war, kriegte kein Mittagessen oder so.
    Während er schuftete, fiel ihm auf, dass irgendwas fehlte. Der Lärm! Wenn er sich zu Hause im Wald herumtrieb, hörte man schon von Weitem, wo sie wieder einen Baum umlegten. Und das taten sie immer öfter, seit die Holzpreise so gestiegen waren. Fast täglich kreischten die Motorsägen.
    Aber hier. Nichts.
    An die hundert Mann rackerten auf dieser Lichtung, oder besser, an ihrem Rand, da wo die Bäume noch standen, aber man hörte keinen Maschinenlärm, keine Motorsäge, keinen Traktor. Und so was brauchten sie ja wohl, wenn sie die tonnenschweren Stämme bewegen wollten.
    Man hörte nur das gleichmäßige Geräusch der Sägen und das Schlagen der Äxte. Als Luk seine erste Wurzel rund zwei Meter weit freigelegt hatte, stützte er sich auf das Griffstück seines Spatens und atmete erst mal durch. Der Overall klebte ihm am Körper. Er war total durchgeschwitzt. Er hatte gar nicht gemerkt, wie heiß ihm geworden war. Klar, er war nicht
trainiert. Zu viel Junkfood und zu viel Alkohol. Und noch ein paar andere Sachen.
    Er sah in die Richtung, in die Mike mit dem Rest der Gruppe losmarschiert war. Das gab’s doch nicht. Die wollten diesen Riesenbaum doch tatsächlich mit einer dieser Zweimetersägen fällen. Und sie kamen dabei so ins Schwitzen, dass sie ihren Overall halb ausgezogen und sich die Ärmel um die Hüften geschlungen hatten.
    »Sie wollen das Holz«, sagte Oleg hinter ihm. »Und das wollen sie so billig wie möglich. Maschinen kosten Geld und brauchen Sprit. Für uns kriegen sie sogar noch was. Super, oder?«
    Luk lächelte vorsichtig und nickte.
    »Gut so«, sagte Oleg. »Ein einziges

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